Transportertest 3/2016

Ford Transit 350 Allrad-Kastenwagen

Der Ford Transit als Allradler ist ein geeigneter Versorger für die Baustelle. Er darf 2,8 Tonnen an den Haken nehmen und überrascht trotz seines Allradantriebs mit nur geringem Mehrverbrauch.

Ford Transit 350 Kasten Allrad
Ob im Landschafts- und Gartenbau oder in der Baufirma: Wo sichere Traktion und hohe Anhängelast gefordert sind, kann der Allrad-Transit glänzen. (Bild: bd/Domina)

Auf schlammigen Wegen und glitschigem Laub fühlt man sich mit der Allradversion des Ford-Klassikers auf der sicheren Seite. Erst recht mit einem schweren Hänger am Haken. Den haben wir uns ausgeliehen, um einen gestrandeten Smart zurück in heimische Gefilde zu expedieren. Nun ist ein Smart mit 850 kg Leergewicht keine wirkliche Prüfung für den Transit. Mit dem Tandemachs-Anhänger läuft der Allrad-Kölner wie auf Schienen, da zerrt nichts, da ruckelt nichts, man sieht den Hänger im Spiegel, spürt ihn aber nicht. Aber auch mit einem zweieinhalb Tonnen schweren Hubsteiger am Haken bestätigt der Transit 4×4 seine Zugqualitäten.

Ford Transit 350 Kasten Allrad Innenraum
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Aufzupassen gilt es jedoch bei Anfahrvorgängen in der Steigung: Am Kontakt Reifen/Straße gibt es zwar nichts zu bemängeln, der Transit Allrad kommt ab Werk mit griffigen Goodyear Ultra Grip, die sich bestens in den Untergrund krallen. Es ist die Kupplung, auf die man achten sollte. Denn der erste Gang ist für schonendes Anfahren in der Steigung reichlich lang übersetzt. Wer da nicht beherzt einkuppelt und Gas gibt, hat gute Chancen, die Kupplung mit ein paar Anfahrversuchen in Rauch aufzulösen. Wenn man’s aber weiß, vermeidet man eben solche Situationen. Dabei ist der Allrad-Transit von Haus aus mit i=4,1deutlich kürzer übersetzt als der Standard-Heckantrieb (i=3,15): Bei 120 km/h GPS-gestoppter Autobahngeschwindigkeit dreht der 2,2-Liter-Vierzylinder 3.200 Touren – verbunden mit beträchtlichem Lärm von 68 dB am rechten Fahrerohr. Das Lärmbild ist zwar zu einem Großteil den grobstolligen Ganzjahresreifen geschuldet, aber den Motor hört man trotzdem – durch die hohe Drehzahl. Zum Vergleich: Der vor einem Jahr gefahrene, mit 155 PS gleich motorisierte und gleich schwere Transit mit Heckantrieb drehte bei 120 km/h nur 2.500 Touren und war mit 64 dB nur halb so laut. Da kannste mal sehen, was Übersetzung ausmacht.

Insbesondere, wenn – wie schon bemerkt – der Anfahrgang zu schnell übersetzt ist: Bei dem insgesamt recht lang übersetzten Hecktriebler bemängelten wir damals auch Anfahr-Schwierigkeiten mit diversen Abwürgern. Dieses Problem gibt es beim Allradler mit seiner kürzeren Gesamtübersetzung nicht mehr. Dennoch ist auch hier der erste Gang zu lang, wenn ordentlich was am Haken hängt.

In der Ebene spürt man von alldem freilich nichts: So rollt der Allrad mühelos im sechsten Gang durch die Ortschaft und kurbelt dabei immer noch gut 1.000 Umdrehungen. Ein Druck aufs Gaspedal genügt, um ihn zügig wieder auf Marschgeschwindigkeit zu bringen. Schalten muss man da nur, wenn man’s eilig hat: Sechs auf Vier und zurück geht bestens, den Fünften überspringt man einfach nach kurzer Gewöhnungsphase. Schuld an dieser elastischen Auslegung ist nicht nur die kurze Gesamtübersetzung. Auch der variable Lader sorgt für ausreichend Verbrennungsluft aus dem Drehzahlkeller, so dass sich die für die Motorgröße sehr ansehnlichen 385 Nm Drehmoment schnell aufbauen können.

Am Cockpit gibt’s fast nichts zu meckern

Im Vergleich zum alten Transit behielt der Neue zwar seine Radstandsmaße, insgesamt wuchsen die einzelnen Versionen jedoch um satte 30 cm in der Länge. Davon kamen jedoch nur 10 cm jeweils der Laderaumlänge zu Gute; der Rest vergrößert zum einen Teil die mächtige Frontpartie, zum anderen Teil spürbar die Raumverhältnisse am Fahrerplatz. Man sitzt jetzt tatsächlich hinter dem Lenkrad und nicht mehr wie früher mehr oder weniger über dem Lenkrad. Selbiges ist jetzt auch in der Höhe und ein wenig in der Neigung verstellbar, was ebenfalls den Sitzkomfort erhöht. Zwar war unser Test-Transit mit dem elektrisch verstellbaren Luxus-Fahrersitz ausgestattet. Zum wirklich langstrecken-tauglichen Sitzmöbel fehlen dem Kölner jedoch etwas straffer eingestellte Polster, eine wirksame Unterstützung im Lendenwirbel-Bereich und eine Armlehne auch an der linken Seite. Die Armlehne der Türfüllung ist für eine Auflage viel zu hart und auch viel zu weit weg. Mehr ist aber auch nicht auszusetzen an diesem Transit-Cockpit. Es gleicht ja im Großen und Ganzen den Fahrständen des Custom und des Connect. Da sitzt alles an seinem Platz, das kennt man schon, und das ist gut so.

Mehr Platz hat auch der Beifahrer: Es gibt viel Raum für die Knie, sogar für zwei Mitfahrer, wenn – wie hier – die Beifahrer-Doppelsitzbank gewählt wurde. Unter ihrer Sitzfläche verbirgt sich ein gut nutzbares Staufach. Das Rückenpolster des Mittelsitzes lässt sich zudem ausklappen und bietet zwei Becherhalter und ein schmales Brotzeittischchen. Während die meisten Ablagen genügend groß und auch sinnvoll angeordnet sind, kann das kleine Fach überm Armaturen-Träger nicht überzeugen: Zwar finden sich darin der USB-Anschluss und eine 12-Volt-Steckdose, recht viel mehr als ein paar Kabel bringt man darin aber wohl kaum unter.

Ford Transit 350 Kasten Allrad mit Anhänger
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Dafür überzeugt das Bedienungskonzept der Assistenz-Systeme und des Bordcomputers umso mehr. Zunächst wirkt das schmucke, lederumkränzte Multi-Funktions-Lenkrad mit seinen zahlreichen Tasten etwas überfrachtet. Doch schon nach kurzer Zeit blättert man damit routiniert durch die Menüs des Bordcomputers und bedient blind den Tempomat mit frei programmierbarer Begrenzer-Funktion. Für 900 Euro Aufpreis gibt es ab der Transit-Ausstattung Trend übrigens einen Abstandsregel-Tempomat. Im Moment ist Ford der einzige Hersteller, der diesen Auffahr-Schutz für den Transporter anbieten kann.

Die großzügigeren Verhältnisse spürt man auch im Fußraum: Beim alten Transit beschnitt der hoch nach innen ragende vordere Kotflügel arg den Platz für die Beine. Der neue Pedalraum ist wesentlich großzügiger geschnitten, die Pedale liegen jetzt auch weiter auseinander.

Im Verbrauch bleibt der Allrad bescheiden

Auffallend auch, wie wenig Poltergeräusch die Achsen an die selbsttragende Karosse durchleiten. Selbst groben Querrillen folgt kein Poltern und Schlagen – da wurde offenbar viel Feinarbeit am Fahrwerk geleistet.

Überrascht hat uns, dass der Allradler über unsere Nahverkehrs-Normrunde nur knapp drei Prozent mehr Diesel konsumierte als sein rein heckangetriebenes Pendant. Nur auf der Autobahn sind es gut fünf Prozent Mehrverbrauch, verursacht durch den höheren Rollwiderstand im Antriebsstrang und den Reifen. Das ist aber immer noch wenig und weit entfernt von früher üblichen zehn Prozent Mehrverbrauch bei Allrad-Transportern im 3,5-t-Segment.

Überzeugen kann auch der Laderaum: Er ist geprägt von sehr steilen Wänden, damit ergibt sich ein fast kubisches Lademaß – gut für Regal- und Serviceeinbauten. Die seitliche deckenhohe Verkleidung besteht aus exakt gesägten Sperrholzplatten. Das sieht gut aus, zumal auch die schmal gehaltenen Radkästen mit Kunststoff verkleidet sind. Das Beste an diesem Fracht-Compartement sind neben den großen Türöffnungen die Zurrösen: Sie sind nicht nur sehr stabil ausgeführt, sie liegen auch da, wo sie hingehören: nämlich nicht in der Ladefläche, wo naturgemäß ja oft Ladung steht und die Zurrpunkte damit verdeckt. Stattdessen ankern sie ganz seitlich, genau dort, wo auch die Zelle am stabilsten ist und viel Zurrkraft aufnehmen kann. Ebenfalls Note Eins für die Laderaumbeleuchtung mit LED-Lampen: Taghell und stromsparend leuchten sie. Aber bei dem allgemeinen Preisverfall von LED-Leuchtmitteln sind sie mit 125 Euro Aufpreis teurer als sie sein müssten.

Pro & Kontra: Ford Transit 350 Allrad Kasten

unkomplizierter Allradantrieb
leicht zu bedienen
guter Bordcomputer
sehr gute Tempomat-Bedienung
Stauräume in der Kabine
lautes Abrollgeräusch
sehr direkte, Go-Kart-artige Lenkung

 

Als einzigen wirklichen Kritikpunkt machten wir die Lenkung aus: Sie ist mit 3,2 Umdrehungen von ganz links nach ganz rechts zwar schön direkt, was spürbar weniger Lenkarbeit im Kreisel bedeutet. Ihre Übersetzung scheint jedoch von der Mittellage bis zum Rand nahezu gleich, was dem Transit 4×4 ein beinahe Go-Kart-artiges Lenk-Handling beschert, an das man sich nur schwer gewöhnt. Lob verdient das Allrad-Konzept, weil sich die Vorderachse stets rechtzeitig zuschaltet, was Liegenbleiber zuverlässig verhindert. Ein Sechsgang-Getriebe mit kürzerem Anfahrvorgang oder, noch besser, eine Wandlerautomatik stünde dem Transit 4×4 gut an. Eine vielleicht fehlende 180-PS-Variante des 2,2-Liter-Ford-Allround Motors haben wir dagegen nie vermisst. Wichtig ist schließlich, was in der Mitte los ist: Und da liefern die 385 Nm Drehmoment genug Leistung in allen Lebenslagen.