Kippertest 9/2016

MAN TGX 33.520 D38 6×4 mit Zentralachsanhänger

Einen 6x4 Dreiachser mit großem Motor und vergleichsweise viel Leistung bekommt man selten zu fahren. MANs neuer, 15,3 l großer D38 zeigt sich als Triebwerk für den Allround-Kipper mit Ambitionen zur Tieflader-Zugmaschine zwar willig, aber auch durstig.

MAN TGX 33.520 D38 6x4 mit Zentralachsanhänger
Der MAN D38 6x4-Kipper ist als Joker in der Baufirma universell einsetzbar: wendig mit Tandemachs-Anhänger, noch wendiger solo als Baustoff-Transporteur und kraftvoll als Zugmaschine für den Tieflader mit Bagger. (Bild: bd/Domina)

Alter Trucker-Spruch: „Es gibt Tage, da fliegt die Plane nich‘ von alleine hoch.“ Der ist in Zeiten des Curtainsiders zwar ziemlich alt. Aber heute passt er – jedenfalls abgewandelt – für die vermaledeite Rollplane, die uns Meiller da auf seinen Dreiseiten-Kippbrücken zumutet. MAN-Demo-Fahrer Roland Heide ist auch schon ziemlich genervt. Die dicke Rolle will einfach nicht über unsere Schotterfracht drüber rollen. Gut, der Schotter lugt ein wenig über die obere Ladekante hinaus: Aber so was sollte trotzdem funktionieren. Es ist einfach zu wenig Platz zwischen Motorwagen und Zentralachs-Anhänger, um die lange Kurbel richtig nutzen zu können. Später Geistesblitz vom Schreibtisch aus: Warum haben wir Anfänger den Zug nicht einfach 90 Grad abgeknickt? Hinterher ist man immer klüger. Aber wenn’s drauf ankommt auf der Baustelle, ist Rangieren bis zum Knick auch nicht immer möglich. Und Zeit kostet die Aktion allemal.

MAN TGX 33.520 D38 6x4 Einstieg
> zur Galerie

Endlich auf der Messrunde: Mit nur fünf Grad draußen ist es kein Wetter für Rekorde. Drinnen ist es dafür umso gemütlicher. Die niedrige XL-Kabine bietet genügend Platz für zwei, die Heizung läuft, der D38 blubbert gemütlich mit 1.000 Umdrehungen und 65 km/h über die Landstraße. Überraschend scharfsichtig zeigt sich der MAN-GPS-Tempomat namens Efficient Cruise. Er sieht wirklich jede Steigung, ahnt jedes Gefälle voraus – das haben wir schon schlechter gesehen. Als Hysterese bietet sich hier die Einstellung +5/-5 km/h an. Aber: An den Stellen, wo wir normalerweise mit knapp 40 t die eingestellten Kuppengeschwindigkeiten auch nutzen, scheint der 6×4 mit Tandemachser ein wenig rollfaul. In weiser Voraussicht lässt der Computer kaum einmal die gesetzte Kuppengeschwindigkeit zu, sondern geht stets ein, zwei km/h schneller über die Kuppe. Mit eigener Masse kommt dieser Zug nur zäh auf Geschwindigkeit und erreicht nur knapp die 70er-Schwungspitzen. Ganz klar: Der 6×4 mit seinen 385/65er-Breitreifen auf der Vorderachse rollt nicht wirklich gut. Jeder Dreiachs-Sattel und sogar jeder 8×4 kommt hier auf längere Rollphasen als dieser Hängerzug. Nun sind 6×4-Kipper plus Zentralachser am Haken nicht gerade als Roll-Genies bekannt. Aber ein bisschen leichter sollte der Münchner in Schwung kommen.

Der hohe Rollwiderstand zeigt sich auch auf der flachen Rollautobahn: Hier genehmigt sich der MAN 37,7 Liter, wo der Arocs mit seinem – zugegeben – sehr viel kleinerem OM 470 mit 10,7 l Hubraum nur 32,7 l/100 km und der Volvo FMX (12,8 l Hubraum) nur 32,5 l/100 km konsumierte. Das sind gewaltige Unterschiede, die man nicht ausschließlich dem großen Motor anlasten darf.

Der D38 ist nicht gerade als Sparmeister unter den Big-Blocks bekannt: 15,3 l Hubraum generieren mehr innere Reibung als ein normaler 12-Liter-Sechszylinder. Das ist das Eine. Aber auch die zweistufige Aufladung mit zwei hintereinander geschalteten Ladern und fixer Geometrie war noch nie ein Garant für einen sparsamen Motor. Die ebenfalls zweistufige Abgasrückführung sorgt zwar für hohe Abgasrückführ-Raten, beste innere Kühlung und geringen AdBlue-Verbrauch. Einen hohen thermischen Wirkungsgrad und damit sehr viel moderatere Verbrauchswerte erzielt man jedoch mit heißerer Verbrennung und – damit einhergehend – hohen AdBlue-Einspritz-Raten zur Reduktion des dann reichlich anfallenden NOx.

Ein schwerer und durstiger Geselle

Über die Gesamtrunde gerechnet, verbraucht der starke MAN knapp zehn Prozent mehr als der Arocs mit seinem kleinen 10,7-Liter-Motor und immer noch sechs Prozent mehr gegenüber dem Volvo FMX – beide fuhren wir in vergleichbarer Euro-VI-Aufmachung. Selbst wenn wir wohlwollende fünf Prozent Mehrverbrauch dem Wetter und der mit 3.000 km viel zu geringen Einfahrleistung dem MAN zu Gute halten: Der D38 mit 520 PS ist ein durstiger Geselle; das bestätigte auch schon die 560-PS-Version im Test als Fernverkehrs-Sattelzugmaschine.

Dazu kommt, dass der D38 im Vergleich zu einem 12-Liter-Sechszylinder ziemlich schwer ist: Mit 1.345 kg bringt er im Vergleich zur Konkurrenz und zum hauseigenen D26 stets gute 200 kg Mehrgewicht auf die Waage. Das wiederum bedingt auch dreiblättrige Parabelfedern vorne. Manche Konkurrenten kommen da auch mit Zweiblatt-Federn aus. Summa summarum und mit Rollplane kommt der 6×4-Kipper auf ein Leergewicht im Gespann von 17.600 kg. Damit ist er ziemlich genau eine Tonne schwerer als unsere Konkurrenten in der Ergebnis-Tabelle. Die können knapp 23,4 t Nutzlast, der dicke MAN nur 22,4. Das ganze Konzept leidet an Übergewicht.

MAN TGX 33.520 D38 6x4 Motor
> zur Galerie

Jeder Kippsattel mit 4×2-Zugmaschine und Dreiachs-Rundmulde schafft zwar zwei Tonnen mehr Nutzlast, lässt sich aber nicht so universell einsetzen wie der 6×4-Kipper. Er ist nach wie vor der Joker in der Firma: mit Tandemachs-Anhänger ein wendiger Kiesbomber, solo ein noch wendigerer Baustoff-Transporteur. In der Aufmachung unseres 33.520 ist er aber auch und vor allem eine geeignete Zugmaschine für den Tieflader mit Bagger. Mit 520 PS zieht man den Tieflader auch noch aus der schlammigsten Baustelle, vorausgesetzt man hat ein wenig Ballast auf der Hinterachse. Dazu noch ein hydraulischer Radnabenantrieb vorn – und die Schwerlastzugmaschine wäre perfekt. In Form von Hydrodrive kann MAN ja den hydraulisch zuschaltbaren Vorderradantrieb liefern, seit dem Wechsel auf das neue ZF-Traxon-Getriebe sogar in Verbindung mit einem automatisierten Schaltgetriebe. Auch von Vorteil, grade beim Baufahrzeug: Das Traxon spreizt etwas weiter als sein Vorgänger und erlaubt sehr langsame Rangiergeschwindigkeiten, auch bei unserem Test-MAN. Mit i = 4,0 ist die Außenplanten-Hinterachse recht kurz übersetzt, mit dem ins Schnelle übersetzten (0,77) höchsten Gang ergeben sich jedoch sowohl für die Landstraße (1.000/min) als auch für gelegentliche Autobahn-Einsätze (1.300/min) vernünftige Drehzahlen.

Besonders untenrum, also im Bereich um 1.000 Umdrehungen, macht der D38 eine gute Figur: Da läuft der Sechszylinder geschmeidig und wohlig brummend und nimmt nur selten den Elften, direkt übersetzten Gang zu Hilfe. Diese extrem Drehmoment-orientierte Einstellung unterstützt eine sehr gelassene Fahrweise. Wer viel mit Tempomat fährt, kommt dann auch in den Genuss langer Rollphasen. Ohne aktiviertem Tempomat soll der MAN angeblich auch Eco-Roll praktizieren, wir konnten das aber währende der Testrunden nicht beobachten. Trotzdem: MANs GPS-Tempomat Efficient Cruise und Efficient Roll haben seit der Vorstellung des D38 vor zwei Jahren deutlich an Funktionalität gewonnen. Zwar lässt sich die Hysterese nur in vier fest abgelegten Abstufungen einstellen. Das reicht aber für die meisten Verkehrsdichten und Geschwindigkeits-Vorlieben der Fahrer. In Zusammenarbeit mit dem ZF Intarder legt der 33.520 erwartungsgemäß sauber getimte Bergabfahrten hin.

Großer Motor mit schwächelnder Bremse

Dennoch ist nicht jeder ein Freund des teuren und schweren Retarders. Zudem sollte dieser großvolumige Motor auch eine wirkungsvolle Motorbrems-Funktion haben. Mit 340 kW (460 PS) bei 2.400/min ist sie für einen Motor dieser Größe aber eher schwach und mit sehr hoher Schubdrehzahl verbunden. Sauber geregelte, GPS-gesteuerte Bergabfahrten mit einer Motorbremse hin zu bekommen, hat beispielsweise Volvo perfektioniert. Aber auch die Actros und Arocs können ganz gut ohne Retarder perfekte Downhill-Runs hinlegen. MAN muss diese Qualität, die den Verzicht auf den Retarder erst richtig schmackhaft macht, noch leisten. Immerhin schlägt der ZF Intarder mit gut 7.000 Euro Mehrkosten und knapp 100 Kilo Mehrgewicht zu Buche.

Ein Blick unters Chassis verrät, dass der Retarder sehr kompakt baut und die Bodenfreiheit nicht beeinträchtigt. Für einen luftgefederten Straßenkipper weist der 33.520 einen erstaunlich tunnelförmigen Unterboden mit oben liegenden Stabis auf, der auf eine gewisse Schlechtweg-Eignung schließen lässt. Das kann man nun für den sehr exponiert angebrachten Dieselfilter an der linken Chassis-Seite nicht behaupten: Wie ein Fremdkörper hängt er da im Freien, im Winter tiefen Temperaturen und Schneematsch von den Vorderrädern frei ausgesetzt – der Arme. Im Motorraum war wohl kein Platz mehr. Der Rest am Chassis ist Wohlgefallen: Schön großer AdBlue-Tank (60 l), sauber verkabelter SCR-Kat mit Auspuff unterm Fahrzeug, gut geschützte LED-Lampen am Heck. Allein die Hydraulik-Leitungen für die Bordmatic und den Kippstempel fallen viel zu lang aus, so dass sie gefährliche Schlaufen in Bodennähe bilden – die könnte man mal kürzen.

MAN TGX 33.520 D38 6x4 Ladungsplane
> zur Galerie

Aus der Kabine nichts Neues, die kennt man. Ihre Stärken: Sie ist leise, geräumig, bietet wertige Materialien und gute Rundinstrumente. Ihre Schwächen: antikes SW-Display, zu kleine Ablageflächen, die unübersichtliche Schalterbatterie und der fehlende Sichtspalt zwischen Außenspiegel und A-Säule. Die Lenkung: auf der ersten Blick gut, weil mit einem relativ großen 50-cm-Lenkrad bedient. Der zweite Blick offenbart trotz des großen Lenkrads eine sehr hohe Übersetzung, die viel Kurbelei im Kreisverkehr erfordert.

Am Ende gemischte Gefühle: Für einen Straßen-Kipper, der auch als solcher und oft mit Hänger eingesetzt wird, würde ich als Triebwerk lieber den D26 mit 440 oder maximal 480 PS als Triebwerk wählen. Er ist schlanker, leichter und definitiv sparsamer als der D38. Selbst im Betrieb mit 40 t Maximalgewicht und dem neuen Traxon-Getriebe kommt man damit bestens zurecht, zumal die Schaltgeschwindigkeit des Traxon in den Gängen 10,11, und 12 tatsächlich extrem schnell ist. Damit verliert man am Berg auch bei häufigeren Rückschaltungen kaum Speed.

In Zeiten allgegenwärtigen Downsizings wirkt der D38 im 6×4-Kipper dagegen wie ein Dinosaurier. Wenn er nicht überwiegend im schweren Gelände oder als Zugmaschine eingesetzt wird. Hier mag der Big-Block seine Vorteile in Sachen Zugkraft ausspielen. Aber die muss man auch erst mal auf den Boden bringen. Und dann wäre die Ergänzung Hydrodrive an der Vorderachse fällig. Der Kipper wird dann noch schwerer und taugt so tatsächlich nur noch als Schwerlast-Zugmaschine, die man zur besseren Auslastung mit dem Zentralachs-Hänger Kies kutschen lässt. Wirtschaftlich ist das nicht. Wie man es auch dreht und wendet: Das Ganze ist ein einziger Kompromiss.