Baggertest 1-2/2024

Der neue Akkubagger SY19E von Sany im bd-Baggertest

Eine Baustelle auf dem Gelände eines Krankenhauses war die perfekte Umgebung, um die Praxistauglichkeit des Akku-Minibaggers SY19E von Sany unter realen Bedingungen zu erproben. Der Gewinn an Erkenntnissen war groß und das Ergebnis eindeutig.

Baggertest Sany SY19E
Der Sany SY19E im bd-Baggertest unmittelbar am Krankenhaus-Haupteingang: Außer den Absperrungen gab es keine Beeinträchtigungen für Patienten, Mitarbeiter und Besucher. Kein Lärm, keine Abgase. (Bilder: bd/Bömer)

Akkubagger aus der 2-t-Liga standen schon auf diversen Events zum Probebaggern bereit. Dass sie tatsächlich die gleiche Leistung bringen können wie ein Verbrenner, mussten dann auch die Jünger des Selbstzünders teils zähneknirschend anerkennen. Blieb dann aber immer noch die über allem schwebende Frage nach der Laufzeit und den Lademöglichkeiten. Das kann man tatsächlich nicht binnen weniger Minuten auf einer Messe erproben. Da kam eine Baustelle, die sich über mehrere Wochen erstreckte, gerade recht. Auf dem Gelände des St. Martinus Krankenhauses in Langenfeld mussten für eine neue Parkraumbewirtschaftung zahlreiche Kabelgräben gezogen werden. Und dafür wurde uns freundlicherweise ein SY19E von Sany Europe aus dem nahen Bedburg zur Verfügung gestellt. Hierzulande haben solche Maschinenkonzepte immer noch etwas exotisches, im Heimatland des Sany-Baggers laufen schon über 1.500 Exemplare dieses Typs.

Der erste Eindruck

Alle elektrisch betriebenen Maschinen aus dem Hause Sany sind sofort an der hellblauen Lackierung zu identifizieren. So auch der SY19E, der bereits auf der Bauma 2022 dem europäischen Publikum vorgestellt wurde. Sowohl beim Stahlbau als auch bei den Hydraulik-Komponenten, entspricht der SY19E weitestgehend dem dieselbetriebenen SY18C. Dass die Leistungswerte beider Maschinen laut technischen Unterlagen bis auf die Kommastelle identisch sind, liegt also nahe.

Im Gegensatz zu den Lösungen verschiedener Wettbewerber hat sich Sany beim E-Antrieb für ein Hochvolt-System (268,8 V) entschieden – dies stehe für eine höhere Leistungsdichte und gesteigerte Effizienz. Als Energiespeicher dient ein robuster LFP-Akku (Lithium-Eisenphosphat), der ohne den Zusatz von Kobalt oder Nickel auskommt. Häufiges Nachladen soll sich bei diesem Batterietyp weit weniger negativ auf die Lebensdauer auswirken. Sany hält eine Lebensdauer von 3.500 bis 5.000 Ladezyklen für realistisch, das sollte also locker für ein Minibagger-Arbeitsleben ausreichen. Die Batteriekapazität wird mit 22 kWh im voll geladenen Zustand angegeben. Unter einer separaten Haube hinter dem Fahrersitz befinden sich die Ladebuchse sowie der Einfüllstutzen für das Kühlsystem.

Alle Blechverkleidungen des Oberwagens lassen sich weit öffnen. Das ist allerdings nur ausgesprochen selten nötig, beschränkt sich die Wartung durch die Bediener doch auf ein absolutes Minimum. Neben dem üblichen Abschmieren der Ausrüstung sollte regelmäßig der Kühlmittel-Füllstand kontrolliert werden – und das war es eigentlich schon. Nur zur Erinnerung: Jedweder Verdruss durch Ölmangel, Falschbetankung oder verstopfte Filter entfällt komplett. Über die Gesamtnutzungsdauer der Maschine sollen sich die Wartungskosten im Vergleich zum Verbrenner um etwa 80 Prozent reduzieren. Und für den Fall, dass die Wartungsintervalle einmal nicht eingehalten werden sollten, ist die Gefahr kostspieliger Folgekosten ebenfalls deutlich geringer.

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Das Vorführgerät war mit einem halbautomatischen Schnellwechsler von Cangini (Kinshofer Group) ausgestattet. Der funktionierte sehr zuverlässig und hat so manches Absteigen erspart. Beim Zugang gab es dann einen der wenigen Verbesserungswünsche: Die linke Steuerkonsole könnte etwas weiter aufschwingen, um ein Hängenbleiben mit der Kleidung zu vermeiden. Das gehörte dann auch zu den Dingen, die vom zuständigen Produktmanager Christopher Jarvis gewissenhaft aufgenommen wurden. Und wenn wir schon beim Wünschen sind, dürften an der Maschine ruhig noch ein paar mehr Zurrösen sein – auch am Oberwagen. Je nach den Gegebenheiten auf dem Transportfahrzeug sind die vorhandenen am Laufwerk etwas knapp bemessen.

Der Fahrerplatz bietet alles, was man von einem Minibagger heute erwartet. Neben dem modernen 7-Zoll-Touch-Display, gibt es einen griffgünstigen Steuerhebel für das Schild und eine klassische Fußbetätigung für den Ausleger-Seitenversatz. Der wenig zerklüftete Gummi-Belag erleichtert das Ausfegen von grobem Schmutz.

Im Testbetrieb – Sany SY19E

In meinem Berufsleben bin ich mit unzähligen Minibaggern in Berührung gekommen, doch das hier war ein Premiere: der erste Akkubagger im realen Einsatz. Das Start-Prozedere unterscheidet sich kaum von den gewohnten Abläufen. Über einen Taster wird die 12-V-Bordelektrik aktiviert, und nach dem Entsperren per Zahlencode beginnt der Antriebsmotor leise zu surren. Dabei wird der Ladezustand der Batterie graphisch und in Prozentangaben gut lesbar dargestellt. Anfänglich neigt man dazu, allzu häufig auf diese Anzeige zu schielen – das gibt sich aber mit der Zeit. Bei unserem Einsatz sind wir während der gesamten Zeit nicht in einen Bereich gekommen, in dem wir wegen mangelnder Batteriekapazität die Arbeiten hätten einstellen müssen. Durch die anfallenden Nebentätigkeiten wie Pflaster aufnehmen oder Arbeitsbereich absperren kommt man bei solchen Einsätzen so gut wie nie auf acht Stunden reine Baggerarbeit.

Natürlich gibt es Baustellen, die eine höhere Auslastung der Maschine erlauben. Dafür steht dann die Mittagspause zum Nachladen zur Verfügung. Um etwas mehr Ladestrom zu erzielen, gibt es Adapter mit den üblichen Drehstrom-Steckern für 16 A und 32 A (150 min 10 % > 80 %). Wenn es richtig schnell gehen muss (30 min 10 % > 80 %) steht auch eine CCS2-Gleichstrom-Ladebuchse zur Verfügung.

Was bei einem Diesel-Antrieb kaum auffällt: Beim Fahren verbraucht der Bagger richtig Energie. Laut Sany sei der reine Fahrbetrieb vom Stromverbrauch gleichzusetzen mit einem dauerhaften Hammereinsatz. Die Drehzahl des E-Motors ist über ein Stellrad in elf Stufen frei wählbar. Im unteren Bereich ist das Arbeitsgeräusch zwar sehr dezent, der Bagger aber auch nicht gerade spritzig. Bei den maximalen 2.000 U/min ist dann richtig Leben drin, allerdings macht sich die Hydraulikpumpe dann auch akustisch deutlich bemerkbar.

Ich war meist mit der Einstellung auf Stufe 8 (1.750 U/min) unterwegs, die ein zügiges Arbeitstempo ermöglicht. Nochmal: Die hydraulische Leistung ist exakt die gleiche wie beim Dieselantrieb. Dass also Kraft und Geschwindigkeit den Erwartungen entsprechen, ist wirklich keine Überraschung.

Manche Dinge muss man sich jedoch erst wieder bewusst machen, weil sie hier schlicht und einfach fehlen: Die Betankung mit mehr oder weniger geeigneten Behältern entfällt. Es müssen keine schweren Kanister über leidlich passende Trichter hochgestemmt werden, und die Frage, ob das Überlaufen des Kraftstoffs jemand gesehen hat, stellt sich erst gar nicht. Wirklich niemand dürfte die Diesel-Abgase vermissen, die man bei den Minibaggern – Stufe V hin oder her – immer mit einatmet. Man kennt auch den schwarzen Streifen auf frischem Putz oder die spontan verwelkte Hecke: fällt alles komplett weg.

Ein Kabelgraben musste unmittelbar unter den Fenstern der Dialyse-Station gezogen werden, wo Störungen durch Lärm oder Abgase unbedingt zu vermeiden sind. Mit dem Akkubagger kam es zu keinerlei Beeinträchtigungen. Während der Arbeit wurde zugleich die Verständigung mit Personen in der Umgebung durch die geringe Lautstärke deutlich erleichtert. Zuletzt dann noch ein unerwarteter Nebeneffekt: Beim Betrieb einer Baumaschine achtet der erfahrene Bediener stets auf untypische Geräusche, etwa das unschöne Kreischen, wenn die Löffelschneide über ein PVC-Rohr kratzt. Beim Elektro-Bagger ist das tatsächlich eher und deutlicher zu hören, was einem Fallrohr-Anschluss diesmal quasi das Leben gerettet hat.

Wir konnten den Akku an einem Baustrom-Verteiler aufladen. Da wir ausschließlich mit Lichtstrom über Nacht geladen haben, wäre das auch an jeder beliebigen Außensteckdose möglich gewesen. Dies ist die langsamste aller Lademöglichkeiten, eine vollständig entladene Batterie soll nach neun Stunden wieder bei 100 Prozent sein. Beim Starten des Ladevorgangs muss allerdings ein gewisses Prozedere eingehalten werden – hier wäre noch etwas mehr Plug-and-Play wünschenswert. Aber Achtung: Zieht man, wie gewohnt, zum Feierabend den Batterie-Trennschalter ab, geht gar nichts mehr. Auch kein Laden.

Bei dem herbstlichen Einsatz hätte ich mir bisweilen eine Kabine gewünscht. Für den sehr wahrscheinlicheren Innen-Einsatz wäre sie wohl eher weniger nötig. Derzeit ist das Canopy auch die Standardausrüstung bei dem Akkubagger, eine Kabine soll aber zeitnah als Option lieferbar sein.

Unser Fazit

Um es ganz klar zu sagen: Für Einsätze wie in unserem Fall ist der Akkubagger wie geschaffen. Natürlich muss die Baustelle zu dem Maschinenkonzept passen, denn auch der höhere Preis, der bei etwa Faktor Zwei gegenüber der Standardvariante liegen soll, muss irgendwie wieder eingespielt werden. So sollten die Vorteile auch gegenüber dem Auftraggeber kommuniziert werden, damit sie auch entsprechend gewürdigt werden. Dass wir ein besonderes Arbeitsgerät im Einsatz hatten, wurde von der Krankenhausleitung durchaus positiv wahrgenommen.

Der SY19E macht jedenfalls einen ausgesprochen praxistauglichen Eindruck. Die Maschine befindet sich in Serienproduktion, dennoch ist Sany sehr offen für Anregungen zur optimalen Anpassung an die hiesigen Bedürfnisse. Mein Eindruck ist, dass auch von Seiten der Hersteller großes Interesse besteht, die Akku-Geräte in den Einsatz zu bringen. Also: Sprechen Sie mit Ihrem zuständigen Händler über eine Vorführung oder Miete.

Steckbrief

  • Gegründet: 1989 von Liang Wengen
  • Gesamtproduktion Bagger: über 500.000 Stück
  • Marktposition: Platz 4 der weltgrößten Baumaschinen-Hersteller (Yellow Table 2022)
  • Sany Europe: seit 2011 in Bedburg bei Köln (12,5 ha Betriebsgelände)
  • Aktivitäten: Endausrüstung Baumaschinen, Montage Hafenmaschinen, Ersatzteil-Lager für EU