BIM-to-Field-Pilotprojekt Schweiz

Papierlos mit digitalem Zwilling

Im schweizerischen Flums entsteht ein Ersatzneubau für ein Wasserkraftwerk – aus Beton, aber ganz ohne Papier. Bauherr, Planer und Baumeister setzen dabei konsequent auf BIM. So erstellt Doka die Schalungspläne komplett in 3D. Die Daten werden in das Gesamtmodell für die Arbeitsvorbereitung zurückgespielt und so für Materialbestellungen und Ausführung genutzt. Auf der Baustelle sorgt das 3D-Schalungsmodell für effizientere Arbeitsabläufe.

Schalungsaufbau anhand 3D-Schalungsmodell
Kontrolle des Schalungsaufbaus anhand des 3D-Schalungsmodells auf dem Tablet mit der App Trimble Connect. Die Tablets wurden in besonders robuste Schutzhüllen gesteckt, um den Witterungsbedingungen einer Winterbaustelle und dem harten Baustellenalltag zu widerstehen. (Bild: Doka)

Die St.Gallisch-Appenzellische Kraftwerke (SAK) erneuert im Kanton St. Gallen die Wasserkraftwerke an der Schils. Für den dreistöckigen Neubau der Kraftwerkszentrale Sägengüetli praktiziert das Bauunternehmen Strabag das sogenannte BIM-to-Field – die Anwendung der digitalen 3D-Modelle auf der Baustelle. An die Stelle von Bauplänen auf Papier tritt ein durchgehend digitaler, modellbasierter Prozess: vom Aushub über die Bewehrung und Schalung bis zur Qualitätssicherung. Der Datenaustausch erfolgt im offenen IFC-Standard. Über entsprechende Cloudlösungen erhält der Polier die benötigten Informationen direkt auf sein Tablet.

Der Feldversuch entstand auf Anregung des Planungsbüros Pöyry, das die Ausführungspläne anstatt in Papierform als 3D-Modelle anliefern wollte. Gemeinsam mit dem Bauherrn SAK beschloss Strabag daraufhin, das modellbasierte Bauen auf der Flumser Baustelle in einem BIM-to-Field-Pilotprojekt zu wagen. Auch für Doka ist BIM eine richtungsweisende Methode, um Schalungslösungen noch genauer auf den Bauprozess abzustimmen.

Bauführer Christian Häni und BIM-Manager Stijepan Ljubicic von der Strabag
Bauführer Christian Häni (links) und BIM-Manager Stijepan Ljubicic von der Strabag diskutieren den nächsten Betonierabschnitt. (Bild: Doka)

International haben die Schalungstechniker bereits bei verschiedenen BIM-Projekten Erfahrungen gesammelt. Die Baustelle in Schils ist für Doka aber eines der ersten BIM-to-Field-Projekte. „Es war zu Beginn eine Umstellung von der konventionellen Planung in AutoCAD auf die 3D-Planung in Autodesk Revit. Gewisse Arbeitsschritte sind dadurch etwas aufwendiger geworden, weil die Modelle derart viele Informationen beinhalten. Doch der Aufwand zahlt sich aus: Schalungen für komplexe Objektgeometrien lassen sich in 3D deutlich schneller umsetzen und die Kollisionskontrolle ist dank der Simulationsmöglichkeiten am digitalen Zwilling erheblich einfacher“, so der Schweizer Doka-Ingenieur Frank Stritzke. Die Software als auch die benötigten Objektbibliotheken für die Planung der Schalungsteile werden derzeit laufend weiterentwickelt. Und es zahlt sich aus, im Vorfeld Probleme am Modell zu bereinigen und die Prozesse sauber zu koordinieren – gerade was den Datenaustausch und die Schnittstellen zur Baustelle anbelangt –, um später vor Ort Bauablaufstörungen zu vermeiden und die Arbeitsabläufe effizient zu gestalten.

Die Software erlaubt den Arbeitern das Schalungsmodell aus beliebigen Blickwinkeln zu betrachten und Details zu vergrößern. „Auf den Papierplänen sind in der Regel nur gewisse Objektdimensionen vermerkt und wenige Schnitte gezeichnet. Mit dem 3D-Modell kann man je nach Bedarf Modelleigenschaften ein- oder ausblenden, Distanzen messen oder Schnitte erstellen. Das ist nicht nur besonders effizient, die Pläne werden auch einfacher nachvollziehbar“, erklärt Bauführer Christian Häni. „Muss trotzdem einmal etwas geändert werden, geht es mit dem digitalen Workflow erheblich schneller.“ Anstatt Tage dauert es zum Teil nunmehr wenige Stunden, bis ein aktualisiertes Modell vorliegt.

Ist das Schalungskonzept optimal an die örtlichen Gegebenheiten angepasst, lässt sich das Material für jeden Betonierabschnitt automatisiert aus dem Modell ermitteln und just-in-time bestellen. So kann mit weniger Material gearbeitet werden, was angesichts beschränkter Platzverhältnisse auf der Baustelle ein großer Vorteil ist.

Die neuen Workflows wurden in den vergangenen Wochen sehr gut angenommen, es bleiben aber auch noch einige Herausforderungen zu meistern. Strabag-BIM-Manager Stijepan Ljubicic: „Die größte Hürde bei der Einführung neuer Prozesse ist die Unsicherheit der Beteiligten. Man darf nicht vergessen, die Menschen auf dem Weg mitzunehmen.“ Nach Abschluss von Baulos 1 wollen die Projektpartner ein erstes Fazit ziehen. Ljubicic ist jedoch schon jetzt zuversichtlich, dass sich die bei diesem Pilotprojekt gewonnenen Erkenntnisse für eine weitere Skalierung und Standardisierung der BIM-Workflows im Unternehmen nutzen lassen.

Standpunkt

Christian Häni, Bauführer, Strabag

„Der Aufbau der Schalung wird mit dem 3D-Modell zum Kinderspiel. Ist der Startpunkt mit der Totalstation eingemessen, kann so im Prinzip jeder die Schalung richtig zusammenbauen. Man muss sich nur an das Modell halten.“