Kippertest 6/2017

Volvo FH 500 Dual Clutch 4×2 Bausattel

Der Volvo FH taugt nicht nur für den Fernverkehr: Mit dem Baustellenpaket mutiert er zum leichten, sparsamen und schnellen Straßenkipper. Und zusammen mit der Doppelkupplung zur Sänfte.

Volvo FH 500 Dual Clutch 4x2 Bausattel
Der FH 500 mit Doppelkupplung ist in Bau-Aufmachung eine schnelle und gleichzeitig sparsame Sattelzugmaschine für den dreiachsigen Rundmulden-Sattel. (Bild: bd/Domina)

Genau dafür ist das Doppelkupplungsgetriebe gemacht: Schnell raus aus der Grube, bei mittlerer Steigung, Gang zwei, drei, vier – und ab geht die Post. Ohne Zugkraftunterbrechung, ohne übermäßigen Lärm, ohne Traktionsstress und schnell. Die automatisch einsetzende Differenzialsperre kam noch nicht einmal zum Einsatz auf dieser langen, einspurigen Schotterrampe, die aus dem Ernstberger’schen Schotterbruch herausführt. Hier, im leichten Off-Road-Einsatz, machen sich die 100 kg Mehrgewicht der Dual Clutch (Doppelkupplung) wirklich bezahlt: kein Schleifen, keine dilettantisch vorgetragenen Schaltversuche in der Steigung, keine missglückten Anfahrversuche mit rauchender Kupplung. Mit der Doppelkupplung ist das alles Vergangenheit. Und das Beste daran: Jeder kann vom Start weg damit umgehen, auch der Neuling im Cockpit des FH.

Beladen ist eine Sache, Leerfahrt die andere. Nicht nur, dass das I-Shift-Getriebe hier formidabel passende Gangsprünge für schnelle Beschleunigen einsteuert: Auf schwierigem Untergrund und mit nur knapp 4 t Last auf der Antriebsachse, ist auch die automatische Differenzialsperre eine willkommene Traktionshilfe. Per Kippschalter versetzt man sie in Standby. Tritt dann einseitiger Schlupf auf, aktiviert sich die Sperre automatisch und unmerklich, nur eine Kontrolllampe signalisiert die quer gesperrte Antriebsachse.

Asphalt-Isoliermulde, Meiller
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Es lässt einen schon ein wenig staunen, was der an sich für die Straße gedachte Volvo FH als leichter Straßen-Kipper so drauf hat. Der kritische Blick unters Chassis offenbart einen unverstärkten U-Profil-Rahmen mit gut 26 cm Steghöhe, gepresst aus 7 mm dickem Stahl – ein ausgesprochen leicht gebautes Chassis. Dafür sehen wir sauber mit Wellrohr ummantelte Leitungen; das ist alles andere als ein Marder-Spielplatz. In Gegenden, wo der Kabelwürger sein Unwesen treibt, wissen Fuhrunternehmer solch gut geschützte Leitungsstränge zu schätzen. Es gibt auch dickere Rahmen für den FH, für härtere Einsätze als etwa im Schotter- oder Asphaltgeschäft üblich. Dafür aber reicht das Baustellenpaket, um aus dem FH einen Bau-FH zu machen. Es beinhaltet die dreigeteilte und wunderschön rund geformte Bau-Stoßstange aus 3-mm-Schweden-Stahl, ein robustes Schutzblech aus Stahl für die Ölwanne, diverse Extra-Luftfilter für staubige Tage und ein etwas arg weitmaschig geratenes Schutzgitter für die Scheinwerfer. Hier in der Ausführung Bi-Xenon und mit dynamischem Kurvenlicht: für lange Winter-Arbeitstage sicher kein unnützes Extra.

Breitreifen laufen weniger komfortabel

Die bewährte, an zwei gekröpften Parabelfedern geführte Vorderachse und die einfach übersetzte13-t-Hinterachse mit unten montiertem Stabi sind Straßenstandard. Die Bau-Aufrüstung ergänzen lediglich 385/65er-Breitreifen auf der Vorderachse. Die breiten Schlappen sind freilich so eine Sache: Einerseits sind sie hilfreich im weichen Geläuf der Deponie, weil sie nicht so tief einsinken. Andererseits laufen sie nicht gerade zielgenau in Spurrillen, vor allem aber erhöhen sie den Luft- und Rollwiderstand. Bei diesem Volvo kommt noch ein deutlich spürbarer Komfort-Verlust durch eine ausgeprägt trampelnde Vorderachse hinzu. Und das kennen wir von den Göteborgern eigentlich gar nicht. Ganz im Gegenteil gilt die doppelt blattgefederte Vorderachse als steif aber auch komfortabel. Wir lasten das Getrampel bei kurzen Querrillen also den Reifen an, deren 65er-Querschnitt und breiterer Latsch weniger gut federt als ein Standard-315/70.

Beim Rangieren jedenfalls spürt man die Breitreifen nicht. Dazu vermittelt die elektrisch verstärkte Lenkung namens Dynamic Steering viel zu wenig Fahrbahnkontakt. Aber: Mit 4,6 Umdrehungen von links nach rechts ist sie handlich direkt übersetzt, sodass man ohne allzu viel Kurbelei durch den Kreisverkehr kurvt. Und: Der Geradeauslauf ist ebenfalls befriedigend. Das hohe Rückstellmoment beim Rangieren lernt man schnell schätzen.

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Das trifft auch für die geräumige und optisch wohlgestaltete FH-Kabine zu. Zwar ist die darunter rangierende FM-Baureihe auch nicht schlecht für Nahverkehrszwecke. Aber der FH ist definitiv die Sänfte unter den Kippsatteln. Keine andere Zugmaschine für den Dreiachssattel war bisher so leise im Kabineninneren. Unter 60 dB auf der Landstraße und sehr moderate 62 dB bei Autobahnspeed: Das sind Geräuschwerte, wie sie eigentlich nur Fernverkehrs-Zugmaschinen abliefern. Vom Motor hört man allenfalls ein wohliges Brummeln, der Rest sind Windgeräusche und manchmal eben das Stuckern von der Vorderachse.

Auf der Landstraße nicht alles auf dem Schirm

An Fahrer-Assistenzsystemen hat die Volvo-Press-Test-Abteilung alles reingepackt, was gut ist – und angeblich gar nicht so teuer: angefangen beim GPS-Tempomat I-See mit I-Roll, über Hill-Holder, Spurassistent, Tote-Winkel-Assistent und Collision Prevention, vulgo Aufprall-Verhinderer. Stichwort I-See: Es ist schon seltsam. Seit Jahren fahren wir nun Volvos mit I-See über unsere Strecke. Mittlerweile arbeitet der sehende Tempomat auf der Autobahn nahezu perfekt. Aber auf der Landstraße gibt es Senken und Kuppen, die der Autopilot mit seiner virtuellen Landkarte aus der Cloud immer noch nicht sieht. Und dann entsprechend enttäuschend reagiert: I-See geht an diesen Stellen eben nicht rechtzeig vom Gas, lässt keinen Unterschwinger zu, rollt viel zu schnell ins nächste Gefälle. Das passiert an genau zwei Stellen der leichten Landstraße, die das System einfach nicht auf dem Schirm hat.

Zugegeben: Insgesamt gesehen, ist diese Landstraßen-Fehlsichtigkeit kaum relevant, zumal sich die Qualität von I-See, was Autobahnstrecken betrifft, drastisch verbessert hat. Die Regelqualität bergab ist auch ohne Retarder mittlerweile sehr exakt. Über die Hügel zwischen Denkendorf und Ingolstadt spult I-See jedenfalls sehr routiniert sein Programm ab: Den Anstieg hoch, früh Gas raus, der eingestellte Unterschwinger wird exakt angefahren, dann lässt I-Roll frei rollen – manchmal zu kurz. Dann wieder Einkuppeln, kurz vor Erreichen der Schwungspitze wird runter geschaltet, teilweise gleich zwei Gänge, um ordentlich Motorbrems-Moment zu generieren. Manchmal wird die eingestellte Schwungspitze bewusst um bis zu 3 km/h überlaufen, wenn es gilt, eine flachere Stelle voraus noch im Rollen zu nehmen. Diese Vorausschau funktioniert mittlerweile bestens. Kein Wunder: Dieser Bausattel fährt auf der Autobahn nach dem in der Getriebesoftware abgelegten Fernverkehrsprogramm. Mit Spritspar-Priorität, was bei häufigen Autobahneinsätzen etwa im Straßenbau durchaus Sinn macht.

Bestens auf Autobahnbetrieb abgestimmt

Schauen wir den Gesamt-Triebstrang genauer an: Im Verbund mit dem Doppelkupplungsmodul verbaut Volvo aus Gründen der Drehmoment-Verträglichkeit grundsätzlich Overdrive-Getriebe mit ins Schnelle übersetztem höchsten Gang. Der direkt durchtreibende ist also der Elfte. Im Vergleich zu den Direktgang-Auslegungen der Konkurrenz hat diese Auslegung für den schnellen Straßenkipper Vorteile: Per Hinterachsübersetzung kann man ihn so einstellen, dass er im elften, direkten Gang mit zwar sehr elastischen, verbrauchstechnisch aber eher ungünstigen 1.100 Umdrehungen bei 65 km/h und Teillast unterwegs ist. Teillast ist nie gut, das mag die relativ hohen Landstraßenverbräuche erklären. Gleichzeitig liegt die Autobahndrehzahl im höchsten Gang bei vergleichsweise niedrigen und sparsamen 1.150 Umdrehungen.

Vergleichen wir mit dem Direktganggetriebe: Hier liegt die Autobahndrehzahl bei knapp 1.300 Umdrehungen, die Landstraße lässt sich bei Leistungen um 460 bis 480 PS aber fast immer ebenfalls im höchsten Gang bei gut 900 Umdrehungen meistern. Schaltet man in den Elften, liegen wiederum mit reichlich Kraftreserven ausgestattete 1.300 Umdrehungen an. Das ist vorteilhaft auf der Landstraße, aber vor allem bei größeren Autobahnabschnitten ein reichlich hohes Drehzahlniveau. Eine längere Achse ist in diesem Falle aber auch nicht zielführend, weil sich dann die Rangiergeschwindigkeiten erhöhen und damit fast immer der Kupplungsverschleiß.

Der Triebstrang ist eine Wollmilchsau

Insofern gleicht dieser Volvo-Triebstrang also der eierlegenden Wollmilchsau: Die Landstraße geht sehr gut im (eigentlich) sparsamen, direkten Gang, die Autobahn zugleich mit niedriger Drehzahl, die Rangiergeschwindigkeit bleibt dank relativ kurzer Achse (3,44 zu ca. 3,1) schön langsam. Auch die Messergebnisse geben diesem Konzept recht. Nur knapp verfehlt der FH 500 die 30-l-Marke für die reine Autobahn, der Verbrauch für die Gesamtrunde geht mit 34,5 l/100 km mehr als in Ordnung – vor allem, wenn man die erzielten Geschwindigkeiten betrachtet. Den Kindinger Berg etwa: Die 4,5 km lange Autobahnsteigung haben wir einmal im Economy- und einmal im Performance-Modus gemessen. Das Ergebnis spricht für Letzteren: 22 Sekunden schneller (80,6 statt 76,1 km/h Schnitt) und nur 0,15 l Mehrverbrauch. Die Verweilzeit im Berg ist also doch mit entscheidend dafür, dass möglichst schnell bergauf kaum mehr Sprit kostet.

Pro & Kontra: Volvo FH 500 Dual Clutch 4x2

auf Autobahnbetrieb abgestimmter Triebstrang
schnelle Schaltungen ohne Zugkraftunterbrechung
sehr gutes Geländeprogramm mit automatischer Differenzialsperre
sehr leise Kabine
Vorderachse trampelt bei Querrillen
wenig Bodenfreiheit
teilweise zu kurze Rollzeiten

Insgesamt erreichten wir zudem eine hohe Landstraßen-Geschwindigkeit. Nicht nur, weil bei der gegebenen Drehzahl bei 65 km/h immer noch genug Reserven für kleinere Anstiege bereitstehen, sondern auch wegen der Doppelkupplung: Die fehlende Zugkraftunterbrechung spart definitiv Zeit in bergiger Topographie – so wie sie unsere schwere Landstraße repräsentiert. Im Vergleich zum Renault C 480 etwa zeigt sich der etwas stärker eingestellte Schwede mit gleichem Motor deutlich sparsamer auf der Autobahn, jedoch etwas durstiger auf den bergigen Etappen.

Der Vergleich zum Volvo FH 500 als dreiachsige 6×4-Zugmaschine ist ebenfalls interessant: Das Plus an Traktion und Geländegängigkeit zahlt der 6×4 mit deutlich höheren Verbrauchswerten bei gleichzeitig langsamerer Transportgeschwindigkeit. Überlegt man also zwischen 6×4 oder 4×2, gibt es eine klare Aussage zu Gunsten des 4×2. Jedenfalls dann, wenn ein guter Wegebau im Revier vorhanden ist. Und nicht zu vergessen: Der 6×4 kostet um die 1,5 t Nutzlast im Vergleich zum 4×2. So gesehen sind die 100 kg Mehrgewicht für die Doppelkupplung tatsächlich Peanuts.