Kippertest 12/2018

MAN 33.500 6×4-Kippsattel-Zugmaschine

Er ist für eine 6x4-Kippsattel-Zugmaschine ganz schön wendig. Und für die Größe ganz schön flink. Nur nicht so gefräßig wie einst die Dinos in Jurassic Park ist der TGS 33.500 6x4. Unter der schmalen TGS-Kabine schafft die stärkste Version des nur 12,4 Liter großen D26.

MAN 33.500 Kipp-SZM
Für viele Erd- und Schotterbeweger ist er der Alleskönner im Bau-Fuhrpark: der MAN TGS 33.500 – auf der bd-Testrunde ein heißer Kandidat für Kipperfahren mit Spaßfaktor. (Bild: bd/Domina)

Nein, er ist kein Dinosaurier. Dann wäre er ja ausgestorben. Wie Tyrannosaurus oder Velociraptor. Aber er hat schon was von der Größe und Masse des Königs (Rex) Tyrannosaurus: leicht im Vorderfuß zwar, doch mit kräftigen Hinterbeinen und eben sehr, sehr groß. Und hungrig. Beim Thema Appetit jedoch hinkt die Analogie ein wenig. Und auch von der Beweglichkeit her hat der TGS 33.500 mehr Ähnlichkeit mit Velociraptor, dem – frei übersetzt – schnellen Dieb: Der war zierlicher, schlanker und bis zu 60 km/h schnell, jedenfalls in Jurassic Park I, wo die Velociraptoren die absoluten Stars noch vor der menschlichen Schauspielerriege waren. Paläontologisch gesehen, passt unsere bd-Handling- und Gelände-Runde ins Bild: Nur unweit der Ernstberger’schen Jura-Steinbrüche, wo wir Traktion und Wendigkeit prüfen, wurde anno 1951 der berühmte Archaeopteryx aus den Plattenkalk-Schichten gehebelt und später als Bindeglied zwischen Vogel und Reptil identifiziert.

Pro & Kontra: MAN 33.500 6x4-Kippsattel-Zugmaschine

fahraktiver, relativ kurz übersetzter Antriebsstrang
sehr gute Fahrbarkeit und Handling
Standfestigkeit und Traktion auf unsicheren Böden
Kippstabilität
angenehmer Sound
harte Federung, empfindlich auf kurzfrequente Stöße
Einstellungsmöglichkeiten Efficient Cruise

Unseren TGS 33.500 ficht das nicht an, er kann weder fliegen noch Eier legen. Gleichwohl gilt er vielen Schotter- und Erdbewegern als eierlegende Wollmilchsau. Mithin also als der Alleskönner im Bau-Fuhrpark. Auch Ernstberger hat sich erst kürzlich wieder eine 6×4-Zugmaschine von MAN angeschafft: „Wenn du Traktion brauchst oder Standfestigkeit auf weicher Schüttung in Deponien gefragt ist, kommst du am 6×4 nicht vorbei“, sagt Thomas Ernstberger, Juniorchef in Eichstätt. Er sinke bei weitem nicht so stark ein wie der 4×2-Sattel, und auch ein 4×2 mit hydraulisch angetriebener Vorderachse – einen Hydrodrive von MAN hat er auch im Fuhrpark – komme da nicht mit. Mit der Spurtreue auf matschigem Grund übertreibe es der 6×4 freilich bisweilen: Selbst wenn beide Antriebsachen nicht komplett durchgesperrt sind, geht’s mit den zwei starren Antriebsachsen je nach Untergrund oft mehr oder weniger stur Geradeaus, die Lenkung der Vorderachse ist quasi ausgehebelt.

Dagegen hat MAN etwas anzubieten: die Lenkbremse. Über den Lenkwinkelsensor erkennt das System eine Kurvenfahrt und bremst entsprechend die kurveninneren Räder an, sodass sich die Kurvenradien spürbar verkleinern. Funktioniert natürlich nur bei offenen Sperren – aber immerhin. Auch auf den Reifenverschleiß dürfte sich die Lenkbremse positiv auswirken. Möglicherweise aber zu Lasten des Bremsverschleißes: Denn die hinteren Trommelbremsen des 6×4 werden natürlich im Gegenzug auch zusätzlich beansprucht.

Kritisch werden die Traktionsfähigkeiten des 6×4 ja eher bei Leerfahrt. Wir haben da die Handling-Prüfung: rückwärts leer die Rampe hoch. Und da streckt der Velociraptus MANsis vergleichsweise schnell die Flügel. Ist ja auch klar: Belastet wird bei dieser Übung am meisten die Vorderachse, weshalb in dieser Disziplin auch der 4×2 mit Hydrodrive die Nase vorn hat.

Die Werkstatt freut sich über Trommelbremsen

Auf der Straße bewegt sich der 33.500 erstaunlich behände. Der Federungskomfort ist sehr straff ausgelegt, trotz der Vierpunkt-Luftfederung am Fahrerhaus. Auf Schlechtwegpassagen rüttelt es die Kabine ordentlich durch. Abhilfe schafft hier, die Dämpfung am Isri-Fahrersitz etwas weicher einzustellen. Sehr gut: In Kurven bleibt die Kabine aufrecht und neigt sich kein Jota. Erstaunlich gut dosierbar zeigen sich die Bremsen des Zugs: Sowohl den Trailer als auch die Antriebsachsen des 6×4 verzögern die guten alten Trommelbremsen. In der Baubranche keine Seltenheit, werden die Bremsen doch häufig noch gern in der eigenen Werkstatt gewartet, und da kennt man sich mit Trommelbremsen traditionell gut aus.

MAN 33.500 Kipp-SZM
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Als verschleißlose Dauerbremse ist im TGS 33.500 der Pritarder von Voith verbaut. Der Wasserretarder wird über den Kühlkreislauf bedient und auch gekühlt. Er sitzt vorne am Motor direkt an der Kurbelwelle, arbeitet daher drehzahlabhängig. Das macht beim 6×4 absolut Sinn, denn der Fokus liegt hier auf langsamen Bergab-Geschwindigkeiten mit voller Ausladung und guter Beherrschbarkeit im Gelände. Zusammen mit der elektronisch gesteuerten Ventilhebel-Motorbremse EVB (Electronic Valve Brake) baut diese Kombination laut MAN Bremsleistungen bis zu 500 kW auf, allerdings erst bei ordentlichen Drehzahlen (und Lärm) weit jenseits von 2.000 Touren. Für unser Zehn-Prozent-Testgefälle Spindeltal hinunter nach Eichstätt reichen dank der vereinten Bremskräfte von Retarder und Motorbremse aber bereits 2.000 Touren, erzwungen mit dem achten Gang, um konstant mit 45 km/h und kalten Trommelbremsen sicher ins Tal zu gleiten – und das sogar relativ leise.

Apropos gleiten: Zu den Vorteilen eines 6×4 gehört ja auch der zweiachsige Kippsattel. Beladen erlaubt er gleichmäßige Lastverteilung zugunsten eines hohen Aufstandsdrucks auf den Antriebsachsen. In engen Kurven folgt der Zweiachs-Trailer viel williger um die Ecke als der Dreiachser der 4×2-Zugmaschine. Das ganze Gespann wirkt ausgewogener in der Fahrdynamik – jedenfalls auf der Straße. Bei Leerfahrt und mit gelifteter erster Trailerachse rollt der 6×4, trotz seiner Dreiblatt-Parabelfedern vorne, vergleichsweise komfortabel ab und zeigt sich als leicht zu fahrender Zug mit erstaunlicher Wendigkeit, nicht zuletzt auch wegen der Lenkbremse.

Ein Leichtgewicht kann eine 6×4-Kippsattel-Zugmaschine naturgemäß nicht sein. Die zwei Antriebsachsen wiegen nun mal schwer, auch das Chassis ist schwerer als beim 4×2. Vorteil des MAN TGS: Seine Kabine ist schmaler und leichter als die TGX-Kabine. Sodass man sich, wie hier, sogar die lange Version mit Schlafliege leisten kann, ohne über 10 t Leergewicht für die Zugmaschine zu kommen. 9.675 kg genau bringt der 33.500 auf die Waage, mit vollen Tanks und einem 75-kg-Norm-Fahrer. Zum Vergleich: Der Volvo FH 500 mit liftbarer Antriebsachse wiegt mit 9.700 kg praktisch genauso viel. Alles im Rahmen also – und das gilt für beide – aber nur mit dem Standard-Sechszylinder mit knapp 13 l Hubraum. Bei MAN ist das der Reihenmotor mit der Familienbezeichnung D26. Ihn gibt es mit 2.100, 2.300 und 2.500 Nm, respektive 420, 460 oder 500 PS Nennleistung. Wer mehr will, müsste auf den 15,2 l großen D38 mit 540, 580 oder 640 PS zurückgreifen.

Dann aber würde es im wahrsten Sinne des Wortes schwer: Den D38 gibt’s nur in Verbindung mit der breiten TGX-Kabine. Diese und der Motor an sich wiegen schwer, die 10-t-Grenze wäre damit bei einer ähnlich konfigurierten 6×4-Kippsattel-Zugmaschine deutlich überschritten. Macht also wenig Sinn und ist auch unnötig. Denn der D26 macht seine Sache so gut, dass der Wunsch nach mehr Leistung oder Drehmoment gar nicht aufkommt. Im Grunde bietet der D38 ohnehin nur im oberen Drehzahlbereich gut 20 kW oder knapp 30 PS mehr Dampf. Also dort, wo man höchst selten Leistung abruft. Der D38 lohnt sich angesichts des Mehrgewichts und auch des zu erwartenden höheren Verbrauchs also für diesen Zweck nicht.

Eine Freude wenn er loslegt

Genau das belegt der TGS 33.500 eindrucksvoll: Zusammengespannt mit einem Overdrive-Traxon-Getriebe kurbelt er sogar bei Landstraßen-Geschwindigkeit im höchsten, ins Schnelle übersetzten Gang bei nur 1.000 Umdrehungen. Das wiederum ist ungewöhnlich und lässt auf eine relativ kurze Gesamtübersetzung schließen. Denn normalerweise nutzt man bei einem Overdrive-Triebstrang den direkt durchtreibenden Gang, hier also den Elften, für die am häufigsten vorkommenden Fahrzustände: Weniger Zahneingriffe bedeutet weniger innere Reibung und logischerweise auch weniger Verbrauch. Aber wer kann, der kann. Und der stärkste aller D26 kann es wirklich: Nämlich von unten raus loslegen, dass es nur so eine Freude ist. Dabei bollert er tief und sonor vor sich hin, gut vernehmbar und angenehm im Sound.

Auf der Autobahn liegen dann entsprechend hohe 1.300 Umdrehungen an. In diesem Drehzahlbereich erreicht der D26 fast schon seine Nennleistung, entsprechend leichtfüßig stürmt der TGS die Autobahnsteigungen hoch. Hinauf zum Köschinger Forst ist keine Rückschaltung nötig, auch weil der GPS-Tempomat Efficient Cruise am Fuße des Berges ein leichtes Angasen einleitet. An der langsamsten Stelle mit 73 km/h fällt die Drehzahl auf gerade mal 1.100 Umdrehungen ab. Da lässt der MAN die Muckis spielen.

MAN 33.500 Kipp-SZM mit Meiller 2-Achs-Rundmulde
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So macht Kipperfahren mit 40 t natürlich Spaß. Nur so ganz ohne Reue ist das nicht: Verbrauchstechnisch gesehen ist diese vergleichsweise kurze Übersetzung schon eine Sünde. Denn würde die Marschdrehzahl gut 100 Umdrehungen tiefer liegen, wäre hier auch das Volllast-Verbrauchsminimum zu finden. Und bei Landstraßen-Speed läge dann im direkt durchtreibenden Spargang die Drehzahl bei etwa 1.100 Umdrehungen und damit in einem Bereich, in dem der 6×4 auch noch kleinere Steigungen ohne zu schalten in einem Rutsch meistern würde. Den 2.500 Nm des stärksten D26 darf man schon eine etwas längere Achse zutrauen. Vermutlich gibt es die aber als doppelt übersetzte Außenplaneten-Achse (noch) nicht.

Aber selbst in dieser ausgesprochen fahraktiven Auslegung legt der TGS 6×4 eine Performance hin, die überrascht. Im direkten Vergleich mit dem Markenbruder TGS 18.500 mit Hydrodrive gibt es über die Autobahn und über die Landstraßen-Etappen nur marginale Unterschiede in Verbrauch und Fahrleistung. Der TGX mit dem D38, den wir als 6×4-Dreiachser mit Tandemachs-Anhänger fuhren, liegt im Verbrauch deutlich höher und kann auch bei der Nutzlast mit den beiden Sattelfahrzeugen nicht mithalten. Das spricht alles sehr für den vergleichsweise leichten D26-Motor.

Fazit: Nicht nur im Antriebsstrang mit dem Traxon-Getriebe überzeugt der MAN als 6×4 in der leichten TGS-Ausführung. Auch das Interieur hat mit dem letzten Facelift spürbar gewonnen. Das neue Zentral-Display ist gelungen, ebenso die zweifarbige Gestaltung des Armaturenbretts und die Neuordnung der Schalter. Für den GPS-Tempomat Efficient Cruise würde ich mir individuellere Einstellmöglichkeiten der oberen und unteren Grenzgeschwindigkeiten wünschen sowie detaillierteres Kartenmaterial die Landstraße betreffend. So manchen Hügel, den andere Systeme sehen, ignoriert Efficient Cruise und geht mit Gas über die Kuppe, wo eigentlich ein schöner Unterschwinger passender wäre. Manchmal etwas ungestüm. Er räubert halt gern. Wie ein ungezähmter Velociraptor…