Kippertest 6/2017

Iveco Eurocargo 160-320 mit Zentralachsanhänger

Iveco bietet mit dem Eurocargo einen vielseitigen Mittelklasse-Lkw für mannigfaltige Einsätze auch in der Baubranche an. Wir haben getestet, ob der Eurocargo als 16-Tonner auch schwere Zugaufgaben bewältigen kann.

Iveco Eurocargo mit Zentralachsanhänger
Der 8-t-Bagger auf dem Zentralachsanhänger stellt die Zugeigenschaften des 16-t-Euro Cargo 160-320 von Iveco auf eine harte Probe. (Bild: bd/Domina)

 

Auch wenn er auf den ersten Blick so aussieht: Ein Offroader ist der Euro Cargo 160-320 auch als Kipper nicht. Der 16-Tonner scheint im Markt eine neue Klasse zu definieren. Denn den Euro Cargo gibt es als 4×2 auch als 18-Tonner – und der hätte schon mal von Haus aus mehr Nutzlast. Dieser Kandidat hier ist aber als leichter Kommunal- und Bau-Truck spezifiziert: relativ einfach im Aufbau, leichter Rahmen, entsprechend viel Nutz- und Anhängelast. Immerhin 9.225 kg darf das Solo-Fahrzeug aufladen, das ist schon eine schöne Schippe Kies im Meiller-Dreiseiten-Kipper; und ließe sogar noch Tragkraft für einen kleinen Kran, den dabei zu haben für den einen oder anderen Anwender ganz praktisch ist. Den hatte dieser Euro Cargo nicht, es gibt ihn aber. Dafür lotet dieser Euro Cargo die Zugeigenschaften des 16-Tonners aus.

Gut, dass es den 4×2 mit dem Sechszylinder-Tector 7 (6,7 l Hubraum) bis 320 PS Nennleistung gibt. Beim Allrad etwa ist schon bei 280 PS Schluss. Darunter rangiert noch die 250-PS-Version. Wer also viel Leistung in den leichten Euro Cargo-Kipper packen will, ist mit dem heckangetriebenen, nutzlaststarken 320-PS-16-Tonner bestens bedient. Zusammengespannt mit der voll automatisierten 12-Gang-Eurotronic von ZF ist der Kipper sehr einfach zu fahren und – sofern wie hier ein eingelenkiger Zentralachser angehängt ist – auch einfach zu rangieren. Ein langer Druck auf die R-Taste des Getriebe-Wählschalters aktiviert dabei die extrafeine Kupplungssteuerung. Damit lässt sich der Zug sehr kontrolliert um die Ecke und sogar bergauf rangieren, ohne Gefahr, die Kupplung abzurauchen. Rangier-Handling: Note Eins.

Iveco Eurocargo Einstieg
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Um dem an sich auf der Straße beheimateten Euro Cargo etwas Hochbeinigkeit zu verleihen, wählte man mit 22,5 Zoll ausgewachsene Lkw-Räder, bestückt mit abermals recht hoher 100-Prozent-Gelände-Bereifung. Diese Entscheidung hat mannigfaltige Folgen, von denen einige okay sind, andere nicht. Jedenfalls generiert diese Spezifikation eine gewisse Bodenfreiheit, aber auch eine hoch aufgesetzte Kabine, um den dicken Rädern auch noch etwas Federweg zu lassen. Das Aufentern auf 118 cm über Straßenniveau ist zwar weit entfernt von Lkw-Höhe (da geht’s meist auf 140 cm hoch), für einen Euro Cargo aber schon ziemlich hoch. Die Normalkabine ist so breit, dass man mit einer Beifahrer-Doppelsitzbank die Passagier-Anzahl durchaus verdoppeln könnte. Nach hinten ist der Verstellraum für die Sitze aber begrenzt. Mit der Lehne stößt man schnell an die Rückwand, größere Chauffeure könnten hier ein Platzproblem bekommen. Denn angesichts der recht steifen Blattfederung rundum ist ein freies Schwingen des Luftsitzes schon wünschenswert.

Wenige Assistenten reichen im Nahverkehr

Der Euro Cargo wurde ja erst vor zwei Jahren runderneuert, wobei sich in der Kabine einmal mehr nur wenig verändert hat: Die Kunststoffe wurden noch schwärzer, etwas mehr Elektronik für Telematik-Anwendungen gesellte sich zu den althergebrachten Bedienelementen. Dazu gehören der rechte Lenkstockhebel, der die Funktionen Motorbremse, Tempomat und Gangbeeinflussung steuert. Und die etwas weit vorn und tief sitzende Schaltkonsole fürs automatisierte Getriebe. Das Angebot an Assistenzsystemen ist übersichtlich: Berganfahrhilfe und Spurhaltewarner – das wär’s dann schon. Kein Eco-Roll, kein adaptiver Tempomat, kein Notbrems-Assistent: Das kann man für ein Nahverkehrsfahrzeug so machen, spart auch ein bisschen Geld.

Als mögliches Zug-Gesamtgewicht gibt Iveco für die hier gefahrene Anhängerversion 35 t an. Das ist ehrgeizig für ein Gespann mit 320-PS-Motor. Denn schon mit 26 t Gesamtgewicht des Testgespanns hat der 6,7-l-Sechszylinder ordentlich zu tun. Soll heißen: Da muss viel Leistung aus Drehzahl geholt werden – mit ein Grund dafür, dass der Euro Cargo mit i=4,89 an der Hinterachse sehr kurz übersetzt ist. Einen Teil davon fängt zwar das Overdrive-Getriebe mit seinem ins Schnelle (0,81) übersetzten 12. Gang wieder auf. Dennoch kurbelt der Italiener muntere 1.700 Touren bei Autobahngeschwindigkeit. Das lässt ihn ziemlich lebendig wirken und erfordert nur hier und da mal eine Rückschaltung. Verbrauchstechnisch ist diese Drehzahlzone noch im Bereich des geringsten spezifischen Volllastverbrauchs, hat also keinen negativen Einfluss auf den Dieselkonsum.

Iveco Eurocargo Motor
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Immerhin ist unser Zentralachsanhänger am Haken gut 12 t schwer, der 8-t-Bagger von Case bringt zudem einen hohen Ladungsschwerpunkt mit. An unseren knackigen Zehnprozent-Steigungen fällt das Gespann erwartbar auf 25 km/h ab und erfordert Rückschaltungen bis in den Sechsten Gang. Die erledigt man am besten in Zweier-Schritten und Stellung manuell, was zuverlässig und mit kurzen Zugkraftunterbrechungen gelingt.

Es gibt noch reichlich Luft nach oben

Bergab ist mit diesen Gewichten die einstufige Motorbremse hart am Rande ihrer Leistungsfähigkeit: Maximal 160 PS Bremsleistung kann der Motorbremshebel aktivieren – und die erst bei sehr lauten 2.800 Umdrehungen. Unser Zehnprozent-Testgefälle hinunter ins Altmühltal können wir ohne Beibremsung nur im fünften Gang zwischen 2.500 und 3.000 Touren abreiten. Hart am orangen Drehzahlbereich ist so eine Abfahrt zwar möglich, aber mit einem Höllenlärm verbunden. Angesichts des geringen Hubraums ist von einer normalen Auspuffklappenbremse nicht mehr Bremsleistung zu erwarten – das ist klar. Umso dringender wäre dann die Zusatzausstattung Retarder. Nur: Den bietet Iveco für den Euro Cargo nicht an.

Pro & Kontra: Iveco Eurocargo

kräftiger Motor
schnell schaltendes, automatisiertes Getriebe
sehr gutes Rangier-Handling
Verhältnis Gesamtgewicht/Nutzlast
durch Reifenwahl extreme Empfindlichkeit auf Spurrillen
Dauerbremsleistung

Ein weiteres dunkles Kapitel ist die Empfindlichkeit dieses Gespanns auf Spurrillen. Was schon auf der Landstraße als schwammiger und reichlich unruhiger Geradeauslauf registriert wurde, steigert sich in den Spurrillen der A9 zwischen Denkendorf und Ingolstadt zu einem haarsträubenden Eiertanz: Das Gespann schaukelt sich in den Spurrillen gefährlich auf, der Hänger entwickelt dabei ein ungutes Eigenleben, das nur durch Wegnahme der Geschwindigkeit wieder in einigermaßen sichere Bahnen zu bringen ist. Die Ursache für diese unsichere Gangart ist definitiv in der Bereifung dieses Euro Cargo zu suchen: Die hohen 100-Prozent-Reifen sind an sich schon ziemlich weich in den Flanken, dazu kommt das hohe und ebenfalls sehr weiche Stollenprofil der Goodyear Omnitracs. Diese Reifen mögen im Gelände ganz passend sein, auf der Straße und vor allem mit einem schweren Anhänger im Schlepptau sind sie alles andere als geeignet. Als Abhilfe wären da 365/80 R 20 denkbar, die es als Einzelbereifung zum Beispiel für das Allradmodell gibt. Mit angepasster Übersetzung könnte also eine Besohlung auf kleineren Rädern und steiferen Querschnitten hier eine deutliche Verbesserung zeitigen. Dazu noch einen Retarder: Dann kann der 160-320 sein Potenzial als Zugfahrzeug wirklich ausschöpfen.