Nord-Ostsee-Kanal

Bodenmanagement mit gewaltigem Massen-Move

Der Nord-Ostsee-Kanal (NOK) ist weltweit die meistbefahrene künstliche Wasserstraße für die Seeschifffahrt. Im Jahr 2020 nutzten 28.797 Schiffe die 98,26 km lange Verbindung. Weil die Schiffe immer größer werden, müssen jetzt Engstellen beseitigt werden – mithilfe diverser Cat-Baumaschinen.

Nord-Ostsee-Kanal
Als 1887 mit den Bauarbeiten des 98,26 km langen Nord-Ostsee-Kanals begonnen wurde, zog die damals größte Erd- und Wasserbaustelle Europas Bauarbeiter aus Ostpreußen, Russland und Italien an. Heute wird die weltweit meistbefahrene künstliche Wasserstraße für die Seeschifffahrt erweitert. (Bilder: Depenbrock)

Durchschnittlich 78 Schiffe passieren die Wasserstraße pro Tag. Um ihre Leistungsfähigkeit zu erhalten, investiert der Bund in den kommenden zehn Jahren rund 500 Mio. Euro in die 20 km lange Strecke zwischen Kiel und Großkönigsförde. Insgesamt fließen mehr als 2,6 Mrd. Euro in den Erhalt und Ausbau des Kanals. Für rund 60 Mio. Euro bearbeitet Depenbrock Bau zwei 4,2 km lange Baulose, bis 2030 sollen vier weitere Lose auf 12 km von Schinkel bis Holtenau fertiggestellt werden. In Arbeitsgemeinschaft mit Nordsee Nassbagger und Tiefbau, Dredging International und Van den Herik Kusten Oeverwerken wird Depenbrock in vier Jahren die Kanalsohle auf der Oststrecke von derzeit 44 m auf mindestens 70 m verbreitern sowie den Kanal durch Rückverlegung der nördlichen Böschung ausbauen.

Weil Schiffe immer größer werden, verwandelte sich der NOK zwischen den Ausweichstellen quasi zu einer Art Einbahnstraße, auf der immer nur ein Schiff durchkam. Nun soll das Nadelöhr verschwinden, Engstellen werden beseitigt sowie Kurven durch größere Radien entschärft. Dafür sind gewaltige Massen zu bewegen: Allein rund 200.000 m³ Oberboden sind abzutragen, umzulagern und anzudecken. Doch der ganz große Brocken ist der Abtrag des Trockenbodens an der vorhandenen Kanalböschung in mehreren Abtragslamellen. „1,5 Mio. m³ Trockenboden müssen entfernt, abtransportiert und auf zwei Ablagerungsflächen eingebaut werden. Rund 750.000 m³ davon sind auf Schuten zu verladen, dann von der Nord- auf die Südseite des NOK zu verfahren, dort zu entladen und zu verarbeiten“, erklärt Depenbrock-Projektleiter Leonard Heckel.

Baustelle Nord-Ostsee-Kanal
Der Abtrag des Trockenbodens an der Kanalböschung erfolgt in mehreren Abtragslamellen – insgesamt müssen 1,5 Mio. m³ entfernt und abtransportiert werden.

Die Nassbaggerarbeiten erfolgen außerhalb der Hauptfahrrinne. Das dabei anfallende Baggergut – etwa 1,1 Mio. m³ – muss per Schuten über die Ostsee auf eine von der Baustelle rund 46 km entfernte Fläche in die Eckernförder Bucht gebracht werden. Neben dem umfangreichen Bodenaustausch sind auch Bodenlagerflächen vorzubereiten. 32.000 m³ belastete Böden werden gesondert gelöst, in separaten Haufwerken gesammelt, nach abfallrechtlichen Vorschriften chemisch analysiert und dann gezielt zu einer Deponie zur Entsorgung gebracht. „Die meisten belasteten Böden befinden sich unmittelbar an oder unter der Oberfläche des Urgeländes und sind teils mit bloßem Auge sichtbar“, so Heckel.

Für jedes eigenständige Baufeld sind Baustellen-Einrichtungsflächen vorgesehen – die größte mit rund 6.000 m² – mit Corona-konformen Baubüros. Entlang der Ausbaustrecke müssen 2.500 m lange Baustellenstraßen zur Material- und Geräteversorgung erstellt werden. Die meisten werden mit Stahlplatten befestigt, auf dem Rest werden Geogitter verlegt und darüber eine Schottertragschicht aus Naturgestein aufgebracht. „Das Baufeld entlang des Streckenausbaus ist sehr beengt. Zwischen neuer Kanalböschung und der Baufeldgrenze liegen oft nur wenige Meter. Aufgrund der überwiegend schlechten Bodenverhältnisse mit beeinträchtigter Standsicherheit verringert sich die Breite zusätzlich durch große lastfreie Streifen. So mussten logistische Engstellen gezielt mit den erforderlichen Massenströmen geplant werden“, schildert der Projektleiter.

Die neue Kanalböschung erhält eine Neigung von 1:1,75 bis 1:2,5. Das Deckwerk wird durch einen Filteraufbau mit geschütteten Wasserbausteinen vor Strömung und Wellen geschützt. Hinzu kommen bauliche Böschungssicherungen und Dränschlitze zur Böschungsentwässerung und daran angeschlossene Kolben- beziehungsweise Vakuumpumpen für die Entwässerung während der Bauzeit. Dies erfolgt je nach Wasserandrang rund alle 200 m im Bereich von späteren Einleitschächten, die dann im Dauerzustand direkt in den NOK entwässern. Insgesamt sind 4,5 km lange Entwässerungsleitungen und -schächte anzulegen. Eingebaut werden rund 44.000 m² Geogitter, rund 90.000 m² Geotextilien sowie knapp 60.000 m² in Kombination. Zur weiteren Böschungssicherung verlegen die Spezialisten auf einer Gesamtlänge von 50 km Faschinen, also walzenförmige Reisig-/Rutenbündel von einigen Metern Länge in einem bestimmten Raster. Diese werden teilweise mit Oberboden angedeckt. Zudem kommen 54.000 m² Erosionsschutzmatten zum Einsatz. Eine genau festgelegte Bepflanzung der neuen Kanalböschung rundet die dauerhafte Böschungssicherung ab.

Cat-Raupe D6T
Das Bauunternehmen Depenbrock vertraut beim NOK-Projekt auf Cat-Raupen wie diese D6T, die den Boden in den Ablagerungsflächen einbauen, Böschungen profilieren und Oberböden abtragen.

Bei der Planung waren unterschiedliche Interessen zu berücksichtigen: von Bund und Land, Landkreisen und Kommunen, Anwohnern und Reedern, Landwirten und Naturschützern. So wird es zum Beispiel einen durchgehenden Seitenweg für Radfahrer und Spaziergänger geben. Dafür ist auf 4,2 km Länge eine Ortbetonspurbahn herzustellen. Darüber hinaus sind Kabelleerrohre zu legen und eine Vorrichtung für die neue NOK-Streckenbeleuchtung zu schaffen. Selbst der Bodenaushub wird so gestaltet, dass die Flächen sich nahtlos in das natürliche Landschaftsbild des norddeutschen Hügellands einfügen.

Schon vor Baubeginn des Kanals im Jahr 1887 standen die Ingenieure vor großen Herausforderungen, als sie den Bauplan für die Wasserstraße entwarfen. Hätten sich ihre Berechnungen als falsch herausgestellt, hätte halb Schleswig-Holstein im Schlamm versinken können. Bereits zur Bauzeit war das Gelände rund um den NOK im westlichen Teil von einem sumpfigen Marschland geprägt, das teilweise unter dem Meeresspiegel lag. Im Osten dominierten Hügelketten, die steil zur Ostsee abfielen.

Die Bodenverhältnisse sowie deren veränderte Eigenschaften bei schlechter Witterung sind heute ebenso herausfordernd wie vor über 130 Jahren. So müssen Abtragsböden, die später im Lärmschutzwall auf der NOK-Südseite eingebaut werden, teils durch ein Mischbindemittel aus Kalk und Zement aufbereitet werden. „Der zu lösende Boden zeichnet sich überwiegend durch Geschiebemergel, Geschiebelehm und Schmelzwassersande aus. Vereinzelt sind bindige und nicht bindige Auffüllungen sowie Torfe anzutreffen“, beschreibt Heckel. Aber nicht nur überwiegend bindige Böden im gesamten Baufeld erschweren die Arbeiten, sondern auch der nicht vorhandene Platz für groß angelegte Baustraßen. Deshalb mussten einige Bauzwischenzustände hergestellt werden, um das geplante Bodenmanagement bestmöglich und termingerecht umsetzen zu können.

Mit digitaler Unterstützung geht es einfach besser

Bei dieser Mammutaufgabe arbeiten die Depenbrock-Maschinen beim Aushub und Einbau mit GPS-Systemen mit 2D- und 3D-Steuerung, sodass Böschungskanten und Böschungsflächen direkt während des Bodenabtrags angelegt und profiliert werden können. Beim Bodeneinbau werden die Flächenprofilierungen ebenfalls nach einem digitalen Geländemodell (DGM) hergestellt. Das Bauunternehmen vertraut dabei auf Cat-Raupen, wie eine D5K und D6T mit Sechs-Wege-Schild und LGP-Laufwerk, aber auch auf Kettenbagger wie einen Cat 352 mit verstellbarem Unterwagen und einem 4,5 m³ großen Löffel. Dieser wurde ebenso wie ein Cat-Kettenbagger 336 der neuen Generation mit Monoblock-Ausleger, Zusatz-Kontergewicht, 3-m³-Löffel samt Oilquick-Schnellwechsler explizit für die Baustelle bei Dirk Spiekermann von der Zeppelin-Niederlassung Osnabrück angeschafft. Der neuen Maschinentechnik zur Seite stehen weitere Cat-Kettenbagger 336F und 325F sowie ein Cat-Mobilbagger M320F und ein Cat-Radlader 908H2. Während die Kettenbagger die vorhandene Kanalböschung lösen und laden, bauen die Raupen den Boden in den Ablagerungsflächen ein, profilieren Böschungen und tragen Oberböden ab. Zudem sind sie für den Straßen- und Wegebau vorgesehen.

Für die wasserseitigen Nassbaggerarbeiten werden Schwimmbagger eingesetzt. Ein Böschungsbagger übernimmt den Abtrag des Oberbodens an der Böschung und ist für die spätere Böschungsprofilierung eingeplant. So werden täglich bis 6.000 m³ geladen, zu den Bodendeponien transportiert und dort mit hohen Anforderungen eingebaut. Ein Ladebagger muss durchschnittlich 3.000 m³ Masse am Tag umschlagen.

Zeppelin-Service
Bei Projekten solcher Größenordnung ist ein reibungsloser Betrieb aller Maschinen unerlässlich. Dafür sorgt der Zeppelin-Service.

Aufgrund der Witterung konnte erst drei Wochen später als geplant mit dem Erdbau begonnen werden. „Den Rückstand haben wir durch Intensivierung des Ladebetriebs sowie Optimierung der Transporte größtenteils wieder aufgeholt. Der Erfolg der Baustelle steht und fällt mit dem Bodenmanagement. Dafür haben wir konkrete Leistungsvorgaben, die wir mit den jeweils abgestimmten Geräten erreichen. Hinzu kommen regelmäßige Kontrollen durch einen Soll-Ist-Abgleich. Der Baufortschritt über Wasser wird hauptsächlich mit Tagesauswertungen der transportierten Bodenmengen kontrolliert, der unter Wasser über die täglich verbrachten Schutentransporte“, so Leonard Heckel. Den Umschlag des Trockenbodenabtrags übernehmen drei Schubleichter und ein Schlepper. Jede Schute kann rund 800 m³ oder rund 1.600 t Boden bewegen. Der Umschlag an der Be- und Entladestelle erfolgt jeweils mit einem Kettenbagger.

Von den etwa 1.300 Mitarbeitern der Depenbrock-Gruppe wirken am NOK-Projekt fünf technische Angestellte, zwei Poliere, zwei Vorarbeiter sowie fünf Spezialbaufacharbeiter und rund zehn Maschinisten mit. Wegen des Coronavirus wurden umfassende Hygiene- und Schutzmaßnahmen getroffen und die diesbezüglichen Anforderungen des Landes Schleswig-Holstein in Abstimmung mit dem Auftraggeber umgesetzt. „Durch den überwiegenden Maschineneinsatz und im weitläufigen Baufeld können die Abstandsregeln sehr gut eingehalten werden“, bewertet der Projektleiter.