Mercedes-Benz eActros: Elektro-Lkw mit nachhaltiger Performance

Bei Mercedes gibt es die ersten vollelektrischen eActros für den Bau. Deren elektrifiziertes Nebenabtriebsmodul eWorX von ZF ermöglicht hydraulische Aufbauten aller Art. Dazu wurde der Brot- und Butter-Motor OM 471 gründlich renoviert, ebenso die Mirror-Cams, die jetzt an kürzeren Armen sitzen.

Mercedes-Benz eActros mit Meiller RS-21
Darf auch lärmsensible Innenstadtbereiche bedienen: der eActros als Abroller mit dem neuen, besonders leichten und niedrig bauenden RS-21-Aufbau von Meiller. (Bilder: Daimler)

Der Actros mit herkömmlichem Dieselmotor ist seit Jahren ein schweres Pfund im Bauverkehr, wenn es um den Transport von Schüttgütern hauptsächlich auf der Straße und gelegentlich im Gelände geht. Jetzt ist er auch mit batterieelektrischem Antrieb erhältlich. Speziell für den schweren Verteilerverkehr entwickelt, kann der eActros seine Vorteile wie den lokal CO2-neutralen und geräuscharmen Gütertransport aber auch noch in vielen weiteren Anwendungen ausspielen. Den Anfang machen 6×2-Fahrgestelle, die mit Abrollern, Absetzern und später auch mit Kippern aufbaubar sind.

So hat Mercedes-Benz Trucks zum Beispiel die von ZF entwickelte All-in-One-Lösung eWorX zusammen mit einem Abrollkipper von Meiller und einem Absetzkipper von Palfinger auf einen eActros aufgebaut. Die eWorX-Einheit stellt dabei die Verbindung zwischen dem E-Management des Fahrzeugs und dem Aufbau her und versorgt das Fahrzeug mit elektrisch angetriebener Hydraulik-Power. Vorteil: Anders als beim Diesel, muss der Motor nicht laufen, die Hydraulik speist sich aus dem Energievorrat der Fahrbatterie. Die Pumpe läuft also nur, wenn der Aufbau bewegt wird. Das ist deutlich sparsamer, leiser und umweltschonender als der herkömmliche Nebenabtrieb.

Mirror-Cams des eActros von Mercedes-Benz
Die Mirror-Cams sitzen jetzt nicht mehr an langen, Insektenfühler-artigen Auslegern: Die Optik liefert nun eine Rangier-Perspektive, die dem natürlichen Spiegelbild viel näher kommt und das Rangieren erleichtern soll.

Der Antriebsstrang des eActros besteht aus einer elektrischen Starrachse mit zwei integrierten Elektromotoren und einem Zwei-Gang-Getriebe. Letzteres schont sowohl Batterie als auch die E-Motoren in schwierigen Anfahrsituationen. Die Batterien bestehen wahlweise aus drei (eActros 300) oder vier Batteriepaketen (eActros 400), die jeweils eine installierte Kapazität von 112 kWh und eine nutzbare Kapazität von rund 97 kWh bieten. Mit vier Batteriepaketen hat der eActros 400 eine Reichweite bis zu 400 km. Der eActros Long Haul, der 2024 serienreif sein soll, wird über eine Reichweite von etwa 500 km mit nur einer Batterieaufladung verfügen. Als Sattelzugmaschine ist er eine interessante Alternative für straßenorientierte Baueinsätze.

Weil es auf Baustellen oft eng zugeht, sei hier laut Mercedes die Mirror-Cam besonders vorteilhaft: Sie ist anstelle der herkömmlichen Haupt- und Weitwinkelspiegel in den Actros- und Arocs-Lkw für den Verteilerverkehr optional und im eActros serienmäßig verbaut. Seit April 2022 ist die zweite Generation des Spiegelkamerasystems im Einsatz. Die um 10 cm näher ans Fahrerhaus gerückten Kamera-Augen liefern den Entwicklern zufolge nun eine Rückwärts-Perspektive, die dem gewohnten Spiegelbild sehr nahe kommt. Erste Eindrücke aus Fahrtests bestätigen dies: Geradeaus rückwärts geht nun viel leichter von der Hand, die besonders gute Sichtbarkeit des Aufliegers oder Anhängers in Kurven und Kreisverkehren blieb davon unberührt. Auch das Auflösen harter Kontraste – etwa beim rückwärts Rangieren in eine dunkle Halle – erlaubt nun bessere Sicht in dunkle Höhlen. Mercedes nennt dieses Verfahren Tone Mapping. Dabei könne ein Bild so angepasst werden, dass ein großer Bereich von Farbtönen und Schatten auf einem Medium richtig angezeigt wird. Das zeige sich nun vor allem in einer verbesserten Kontrastdarstellung. Ein weiterer Vorteil der Mirror Cams fällt oft unter den Tisch: Nämlich die Vermeidung von Spiegelklatschern auf engen Landstraßen. Die 20 cm mehr Platz im Begegnungsverkehr geben Sicherheit und schonen die ohnehin oft genug überstrapazierten Fahrbahnränder.

Auch weitere Entwicklungen am Dieselmotor vernachlässigt Mercedes-Benz offenbar nicht. Ein Beispiel ist die dritte Generation des schweren Nutzfahrzeugmotors OM 471. Der in den Actros- und Arocs-Baureihen ab Oktober 2022 verfügbare Heavy-Duty-Motor sei konsequent auf die Senkung der Total Cost of Ownership ausgerichtet, ohne Abstriche bei Leistung, Fahrdynamik oder Fahrkomfort. Einer der wichtigsten Hebel zur Steigerung der Kraftstoffeffizienz sei dabei eine optimierte Turboaufladung. Deshalb gibt es jetzt zwei speziell auf den Einsatz abgestimmte Ladertypen für den OM 471. Bei der Variante für den Fernverkehr liegt der Fokus auf einem möglichst niedrigen Kraftstoffverbrauch. Die zweite Turbolader-Version arbeitet leistungsorientiert und ist auf eine hohe Motorbremskraft ausgelegt. Daher eigne sie sich bestens für den Einsatz im Schwerlast- und Bausegment.

Mercedes-Benz eActros
Für lärmkritische Innenstadt-Baustellen wie gemacht: Der eActros als 6×2-Absetzer, hier mit Palfinger-Aufbau. Gut zu sehen: Die eWorX-Einheit für die Hydraulikversorgung sitzt zwischen Aufbau und Fahrerhaus.

Auch der Antriebsstrang wurde ins Visier genommen: Die neue automatisierte Getriebesteuerung Power Shift Advanced soll durch präzisere Gangwahl in vielen Situationen ein schnelleres und gleichzeitig sanfteres Anfahren und Beschleunigen ermöglichen. Weiter optimiert wurde zudem die Fahrpedal-Parametrierung: Im unteren Pedalweg ermögliche die sensiblere Dosierbarkeit ein feinfühligeres Manövrieren, das direkte Ansprechverhalten im oberen Pedalweg soll ein Plus an Dynamik bei hoher Lastanforderung ergeben. Außerdem erleichtere die neue Gaspedal-Kennlinie insbesondere das Durchfahren und souveräne Herausbeschleunigen aus dem Kreisverkehr.

Neu beim Arocs ist nun eine Vorderachse mit 10-t-Achslast. Starke Kräne und Arbeitsgeräte – besonders wenn sie direkt hinterm Fahrerhaus montiert sind – führen nicht selten zu Überlasten an normalen 7,5- oder 8,0-t-Vorderachsen. Die stärkere Vorderachse eröffnet hier breitere Möglichkeiten ohne Gefahr einer Achslast-Überschreitung. In diesem Zusammenhang als sehr hilfreich erweise sich das in den Actros- und Arocs-Baureihen sowie im eActros verbaute Multimedia-Cockpit mit seinen zwei Farbdisplays als Herzstück des Human Machine Interface. Arbeitet der An- oder Aufbau, werde dies über Kontrollleuchten im Primärdisplay symbolisch angezeigt. Zusätzlich könnten hier Pop-up-Fenster den Fahrer warnen und bis zu zehn Meldungen konfiguriert werden. Im zweiten Display finden für die komfortable Integration von nicht sicherheitsrelevanten Aufbaufunktionen bis zu acht individuell wählbare virtuelle Schalter etwa für die Wechselbrücke Platz.

Mercedes-Benz-Motor OM 471
Der von Grund auf überarbeitete Brot- und Butter-Motor OM 471 lässt sich nun mit zwei Lader-Varianten genauer an den Einsatz anpassen: drehmomentorientiert im kraftstoffsensiblen Fernverkehr, leistungsorientiert im Gelände und am Bau.

Bei der Licht-Ausstattung sind jetzt Hauptscheinwerfer in Voll-LED-Ausführung optional erhältlich. Gegenüber Xenon-Scheinwerfern versprechen sie eine höhere Lichtstärke und optimierte Ausleuchtung der Fahrbahn. Und im Vergleich zu herkömmlichen Halogen-Leuchtmitteln sollen sie wartungsfreundlicher, energiesparender und langlebiger sein.

Eine Spezialität für harte Einsätze ist bei Mercedes-Benz Trucks die Turbo-Retarder-Kupplung (TRK). Als Kombination aus hydraulischer Anfahrkupplung und Retarder in einer gemeinsamen Komponente ermöglicht sie auch unter hoher Last feinfühliges Anfahren und Rangieren selbst bei niedrigsten Geschwindigkeiten. Als Primärretarder entwickelt sie eine Bremsleistung von 350 kW (476 PS). Gemeinsam mit der bis zu 475 kW (646 PS) starken High Performance Engine Brake sorgt die TRK gleichzeitig für verschleißarme Anfahr- und Bremsvorgänge. Der zuschaltbare hydraulische Vorderradantrieb Hydraulic Auxiliary Drive schließlich gewährleistet zuverlässige Traktion bei gelegentlichen Ausflügen in traktionskritisches Gelände. Die hydraulisch zuschaltbaren Vorderräder arbeiten bis zu einer Geschwindigkeit von 30 km/h und bieten so oft das Quäntchen mehr an Traktion, das ein Fortkommen ohne fremde Hilfe ermöglicht.

Bauma: Halle B4 Stand 324