Truckreport 9/2023

Neue XF- und XD-Baufahrzeuge von DAF

Nach der Einführung der XD-Reihe, schieben die Niederländer die Bau-Versionen und Mehrachser auf XF- und XD-Basis nach. Mit zahlreichen Verbesserungen in der Elektronik-Architektur und, damit einhergehend, Erleichterungen für die Anbindung von Aufbauten und Assistenz-Systemen.

Jetzt gibt es bei DAF auch die XFC und XDC – C steht für Construction – als 4×2-Sattelzugmaschinen. Die Version mit niedrigem Dach (hinten) trägt den Zusatz PXP Paul, was auf die hydraulisch angetriebene Vorderachse hinweist. (Bilder: bd/Domina)

Erst letztes Jahr ersetzten die Eindhovener Truck-Bauer ihre altgediente CF-Reihe durch den neuen XD. Als Fahrerhaus hatte die CF-Hütte mit den schmucken Kotflügel-Backen nun ausgedient. Die neue XD-Hütte – es lebe die kostengünstige Gleichteile-Strategie – ist im Grunde das XF-Fahrerhaus, nur tiefer auf dem Rahmen aufgesetzt. Das spart schon mal eine Trittstufe beim Einstieg, bedingt aber eine Motorkiste, die 32 cm hoch in den Innenraum ragt. Gleichwohl benötigen auch die neuesten E-Trucks dieser Klasse diesen Bauraum unter dem Kabinenboden für allerlei Batterien, Konverter und Kühlvorrichtungen. Wichtiger sind da die Benefits für den Fahrer: Der hat jetzt nämlich in der XD-Kabine spürbar mehr Platz als im alten CF. Immerhin ist sie mit 2,5 m genauso breit wie die XF-Kabine. Und in der kürzesten Daycab-Variante bleiben in der hintersten Sitzstellung immer noch 15 cm Platz bis zur Rückwand.

Auch in der Armaturen-Architektur profitiert der XD vom großen Bruder XF: Die volldigitalen Instrumente sind die gleichen, ebenfalls der große Sekundär-Bildschirm in der Mittelkonsole. Feines Detail: Eine optisch kaum wahrnehmbare Absenkung des rechten Teils des Armaturenbretts um wenige Zentimeter erlaubt einen tieferen Blick nach vorne und verkürzt auch unmittelbar vor dem Fahrzeug den Toten Winkel. Rechts neben der Kabine erlaubt die optionale Vision-Door den Blick auf Fußgänger und Radfahrer, das Fenster ist richtigerweise immer mit dem Beifahrer-Klappsitz kombiniert, denn nur so hat man wirklich die Sichtachse aufs Geschehen draußen.

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Auch beim Spiegel-Ersatz-System profitiert die DX-Kabine direkt vom XF. So ist die etwas tiefer gesetzte Eck-Kamera rechts Standard, auch wenn normale Spiegel geordert werden. DAF nennt den digitalen Ersatz von Rampen- und Frontspiegel Corner View – und genau das ist es auch. Die etwas über Kopfhöhe installierte Kamera guckt quasi um die Ecke und zeigt ein wesentlich weitwinkligeres Bild als Rampen- und Frontspiegel, bei gleichzeitig weniger Verzerrung. Auch ohne Fenster in der Tür wird der Tote Winkel neben dem Fahrerhaus damit sauber angezeigt.

Die eigentliche Neuheit aber sind XF- und XD-Modelle mit der Namens-Erweiterung C für Construction und einigen sehr Bau-spezifischen Veränderungen, was etwa die Geländegängigkeit des Chassis betrifft oder auch die Anbindung diverser Assistenzsysteme für optimierte Traktion. Da ist einmal das neue Gelände-Programm, das den Traxxon-Getrieben höher ausgedrehte Schaltpunkte gönnt und gleichzeitig die Antriebs-Schlupf-Regelung (ASR) herunterregelt, auf dass es bei durchdrehenden Rädern keine Drehzahlrücknahme mehr durch den Computer gibt. Das hilft schon mal viel im tiefen Boden oder an Steigungen. Neu ist auch eine Freischaukel-Funktion, die wie das Gelände-Programm mit einem Taster aktiviert wird. Sitzt die Fuhre in der Kuhle fest, reicht die Aktivierung per Schalter plus einem beherzten Druck aufs Gaspedal über den Kickdown-Punkt hinaus. Dann weiß das System: Mal kurz nach vorne, dann Kupplung auf, rückwärts pendeln lassen, dann das gleiche nochmal – bis man eben freikommt.

Eine eigene Variante der hydraulisch angetriebenen Vorderachse (PXP) hat DAF ja zusammen mit Paul aus Vilshofen entwickelt. PXP ist nun komplett in die Elektronik-Struktur der XFC eingebunden, was man aber kaum spürt, weil die hydraulisch zuschaltbare Vorderachse schon vorher denkbar einfach mit nur einem Tastendruck aktiviert werden konnte. Bei Probefahrten mit dem 4×2-Kippsattel und PXP-Vorderachse überzeugte zwar die Bedienung, nicht aber die Geräuschkulisse. Gut: Hydraulische Vorderachsen sind immer etwas laut und heulen gerne bei höheren Drehzahlen, das ist normal. Aber der Knall beim Abschalten des PXP, beim Ausschalten oder Erreichen der automatischen Abschalt-Geschwindigkeit, fährt einem eher besorgniserregend ins Gehör. Das ist schon sehr laut. „Aber völlig normal, ist halt ein offenes System“, beruhigt mein Instruktor und PXP-Experte Uwe Müller von DAF. Das Geräusch entstehe, wenn die Hydraulik-Stempel in Ruhestellung zurückfahren und sei eben systembedingt. Na gut, das will ich mal so glauben. Schließlich funktioniert PXP sehr zuverlässig und fein dosierbar und hat das Potenzial, so manchen mechanischen schweren und teuren 4×4-Antrieb zu ersetzen. Klassischer Einsatz wäre der Straßenkipper oder die Zugmaschine, die im Herbst für die Rüben-Kampagne einsetzbar sein muss.

Schon seit mehreren Jahren forciert DAF die Entwicklung zuverlässiger und potenter Mehrachser für die verschiedensten Einsatzzwecke. Nicht nur für den Bau. Hier ist man mit den 8×4- und 6×4-Kippern bereits gut aufgestellt. Neu gestaltete Frontpartien mit ordentlich Böschungswinkel, dreigeteilte, leicht zu reparierende Stoßstangen aus Stahl und Schutzbleche für den Unterboden im Kühlerbereich gehören heute zum Standardprogramm für XF- und nun auch für die etwas leichteren XD-Versionen.

Letztere treibt übrigens stets der 11 l große MX-11-Paccar-Sechszylinder an. Das Leistungsangebot reicht von 270 über 300 bis 330 kW (367, 408 und 449 PS) mit den dazugehörigen Drehmomenten 1.800, 2.000 und 2.200 Nm. Wichtig besonders für die Bau-Anwendungen: Top-Torque haben nun alle Leistungseinstellung – sehr hilfreich, wenn der Fahrwiderstand im tiefen Boden plötzlich ansteigt. Das Drehmoment-Plus von jeweils 1.500 Nm ergibt, über die Drehzahl gerechnet, ein Leistungsplus von rund 20 kW oder 27 PS zwischen 900 und 1.300 Umdrehungen. Die gleichen Größenordnungen gelten auch für die 315, 355 und 390 kW (430, 483 und 530 PS) des großen MX 13, der den XF-Modellen vorbehalten bleibt.

Wichtig für Aufbauer, die XD und XF mit den entsprechenden Hydraulik- und Elektronik-Funktionen für Kipper, Absetzer, Abroller oder Mischer versorgen: Die DAF haben jetzt eine eigene Can-Bus-Schnittstelle für alle Aufbaufunktionen. In zahlreichen Besuchen vor Ort habe man die Konnektivitäten und Voraussetzungen recherchiert, sodass alle Funktionen der Aufbauer in der Can-Bus-Struktur des DAF integriert sind. Praktisch heißt das: Es gibt keine Basteleien an Steckern und Kabeln mehr, die Funktionen sind direkt über MUX-Taster (digitale Multiplex-Schalter) im DAF-Design ins Armaturenbrett integrierbar. Gleiches gilt für die entsprechenden Anzeigen und Kontrollleuchten im digitalen Armaturenbrett.

Zieht man noch das breite Angebot an einfach und doppelt übersetzten Tandemachs-Aggregaten mit Scheiben- oder Trommelbrems-Ausstattung ins Kalkül, kann DAF nun eine schwere (XF) und mittelschwere (XD) Baureihe für alle Aufgaben im Bauhaupt- und Nebengewerbe inklusive Baustoffhandel vorhalten. Selten – nein, noch nie – war die DAF-Palette so komplett und attraktiv für den Praktiker. Was jetzt kommen muss, sind erste E-Trucks als 4×2 und 6×2 für leichte Bau-Aufgaben in den Städten. Die Nachfrage nach Betonmischern, Abrollern, Absetzern und leichten Kippern mit Kran wird sehr schnell steigen, so schnell wie die abgas- und lärmreduzierten Zonen in den Städten. Passt dazu: Die neue Halle und Fertigungslinie für E-Trucks in Eindhoven ist fertig, die Produktion läuft schon.