
Retro-Serie Teil III: Innovationen und eine Pleite in den 1980er-Jahre
In den 1980er-Jahren waren die Baumaschinen in ihrer heute bekannten Form weitgehend erfunden. Es ging nun um Verbesserungen, bei denen erstmals die neue Mikro-Elektronik eine Rolle spielte. Das Jahrzehnt begann für die Branche allerdings zunächst mit einem großen Knall.

Nachdem die zweite Ölkrise eine Rezession der Weltwirtschaft ausgelöst hatte, war zu Anfang der 1980er-Jahre natürlich auch die deutsche Bauwirtschaft betroffen. Die Zahl der Beschäftigten im Bauhauptgewerbe fiel zur Mitte des Jahrzehnts erstmals unter die Marke von einer Million. Erst in der zweiten Hälfte stellte sich eine deutliche Verbesserung der Situation ein, sodass sich 1989 der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes, Fritz Eichbauer, mit den Worten zitieren ließ: „Die Lokomotive Bau ist wieder voll in Fahrt.“
Große Infrastrukturprojekte wie die ICE-Neubaustrecken der Bahn, der Rhein-Main-Donau-Kanal oder der Neubau des Flughafens München-Erding sorgten unter anderem für Auslastung in der Baubranche. Die Schwankungen in der Bauindustrie hatten zeitversetzt natürlich auch Auswirkungen auf den Absatz von Baumaschinen. Betrachtete man allein das Auftreten der Hersteller auf der Münchner Bauma, so musste man den Eindruck gewinnen, die Branche befände in einem Dauer-Hoch. Der Gigantismus bei Baggern und Kranen hielt unvermindert an und wurde zu diesem Anlass allzu gern zur Schau gestellt. Die Veranstaltung hatte sich inzwischen als Leitmesse für Baumaschinen etabliert, wodurch diese auf der Hannover-Messe kaum noch vertreten waren.

In deutschen Haushalten fanden sich zunehmend Personal-Computer und verschiedenste Arten von Unterhaltungselektronik. Zugleich prophezeite die deutsche Autoindustrie nicht weniger als die De-Industrialisierung Deutschlands, falls der Katalysator für Pkw zur Pflicht werden sollte. Die Baumaschinenindustrie steuerte indes ihren eigenen Wirtschaftskrimi bei.
Große Pläne grandios gescheitert
Jeder, der in dieser Zeit mit Baumaschinen zu tun hatte, kannte den Namen Horst-Dieter Esch. Die komplette Geschichte ist zu umfangreich, um sie hier wiederzugeben, schaffte es jedoch zum Finale in die Tagesschau, lieferte Material für ein Buch und diente schließlich als Grundlage für einen Fernsehfilm. In kurzen Worten könnte man es etwa so beschreiben: Besagter Esch, der mit großem Verhandlungs-Geschick und Überzeugungstalent gesegnet war, begann in den 1970er-Jahren unter dem Namen IBH (Internationale Baumaschinen Holding) finanziell angeschlagene Baumaschinenhersteller aufzukaufen. Darunter bekannte Namen wie Duomat, Zettelmeyer, Hanomag, Hamm oder Terex, um nur einige zu nennen. Ziel war es, den drittgrößten Baumaschinenkonzern hinter Caterpillar und Komatsu zu formen.
Was dem ambitionierten Projekt allerdings fehlte, waren ein strategisches Konzept und noch viel wichtiger: Geld. Hierfür konnte eine Privatbank mit einem Grafen als Bankier nebst Gattin und später ein Öl-Scheich gewonnen werden – das kann man sich alles gar nicht ausdenken. Die Methoden der Beschaffung von Liquidität waren dabei, vorsichtig ausgedrückt, ausgesprochen kreativ. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis der Ballon platzen würde. Im November 1983 war es schließlich soweit. Die Folgen: Verbindlichkeiten in der beispiellosen Höhe von fast einer Milliarde D-Mark, die Bank musste in einer Notaktion gerettet werden, die IBH und alle angeschlossenen Tochterunternehmen mussten Insolvenz anmelden und Horst-Dieter Esch landete schließlich hinter Gittern.

Die angeschlagenen Hersteller standen im Grunde nun da wie zuvor. Jedoch fanden sich für fast alle tragfähige Lösungen, und viele der Produktionsstätten existieren heute – unter anderem Namen – immer noch.
Wer braucht schon Minibagger
Der Wettbewerb um den weltgrößten Hydraulikbagger war noch nicht ganz ausgefochten, da tat sich am unteren Ende der Größenskala eine komplett neue Front auf. Es handelte sich in dem Sinne nicht um einen völlig neuen Maschinentypus, jedoch hatte man durch Verkleinerung der bekannten Bauform völlig neue Aufgabengebiete und Kundenkreise erschlossen. Der Minibagger war erfunden. Und es waren japanische Hersteller, die ihn auf den hiesigen Markt brachten. Die deutschen Hersteller reagierten reflexartig mit Arroganz und teilweise auch Spott über die neuen Marktteilnehmer. Man bezweifelte schlichtweg, dass es einen nennenswerten Bedarf an solchen Miniatur-Baggern geben würde. Aus heutiger Sicht natürlich eine eklatante Fehleinschätzung.

Die kleinen Bagger waren eine gute Chance für weitsichtige Baumaschinenhändler, um ins Geschäft einzusteigen oder es auszubauen. Auch brachten sie die Baumaschinenvermietung erst so richtig in Schwung, da sie sowohl von der Tonnage, als auch finanziell deutlich einfacher zu handhaben waren. Für viele Berufseinsteiger waren sie der niederschwellige Einstieg, um Erfahrungen an den Hebeln zu sammeln. Weil die meisten Minibagger von Haus aus auch mit Eurosteuerung ausgestattet waren, stellten auch die etablierten Hersteller ihre Systeme zunehmend auf dieses Schaltschema um. Das sorgte verständlicherweise bei einigen Altgedienten für Verdruss, war jedoch letztlich ein großer Gewinn für die ganze Branche. Die neuen Markennamen gingen den Bauschaffenden zwar nicht immer leicht über die Lippen, etablierten sich jedoch nachhaltig.
Zu den bekanntesten Anbietern der ersten Stunde gehörten Takeuchi, Yanmar, Kubota, Komatsu und Nissan (Hanix). Die Minibagger ermöglichten eine echte Mechanisierung von Tätigkeiten, die zuvor in Handarbeit erledigt werden mussten. Und natürlich waren sie vom Start weg ein riesiger Erfolg, da sie auch Kundenschichten erschlossen, die bislang noch gar keine Verbindung zu Baumaschinen gehabt hatten. Das mussten schließlich auch die etablierten Hersteller einsehen, und so versuchten sie, mit teils etwas halbherzigen Maßnahmen an diesem Wachstumsmarkt teilzuhaben. Sehr beliebt war es, die Maschinen eines Zulieferers umzulabeln, um als Full-Liner auftreten zu können. All diese Maßnahmen hatten jedoch keinen durchschlagenden Erfolg. Lediglich die Firmen Atlas und Schaeff entwickelten einen eigenen Minibagger Made in Germany.

Der Wettbewerb schläft nicht
Die westeuropäischen Baumaschinenhersteller hatten sich in der jüngeren Vergangenheit ihre festen Anteile am Hydraulikbagger-Markt gesichert. Man verfügte über ein gut ausgebautes Netz an Händlern und Niederlassungen sowie über eine treue Stammkundschaft – was konnte da schon schiefgehen. In den Anfängen des Hydraulikbaggerbaus hatten einige westliche Hersteller Lizenzen an japanische Firmen verkauft. Die kleine Insel war schließlich weit weg und ein eigener Kosmos. Es war also höchst unwahrscheinlich, dass dies jemals die eigenen Geschäfte tangieren würde. Wie wir heute wissen, kam alles jedoch ganz anders.
Die japanischen Hersteller erwarben sehr schnell eigene Expertise, was Hydrauliksysteme, Stahlbau-Komponenten und insbesondere rationelle Fertigungsmethoden betraf. Firmen wie Hitachi, Komastu, Kobelco, JSW, Kato, Sumitomo oder Mitsubishi konnten wettbewerbsfähige Bagger anbieten. Daraus entwickelte sich zunächst ein derart boomender Binnenmarkt, dass die Fachleute der etablierten Hersteller regelmäßig zum Brillenputztuch griffen, sobald die Zahlen des Weltmarkts für Hydraulikbagger veröffentlicht wurden. Im Jahr 1985 wurden im westlichen Wirtschaftsraum etwa 47.000 Einheiten abgesetzt, davon allein unglaubliche 37 Prozent auf der japanischen Insel, was mehr als dem Doppelten des Volumens in den USA entsprach.
Führungskräfte europäischer Baumaschinenhersteller veröffentlichten Beiträge in Fachmedien, in denen sie über Dumping und unfaire Wettbewerbsbedingungen grummelten. Und tatsächlich konnten bestimmte japanische Hersteller über ihre europäischen Händler die Maschinen teilweise deutlich unter dem üblichen Marktpreis anbieten. Dies nötigte auch die einheimischen Hersteller zu schmerzhaften Preisnachlässen und mündete schließlich in einer Eingabe bei der Europäischen Gemeinschaft. Nach eingehender Prüfung verhängte die EG Kommission im März 1985 tatsächlich Strafzölle auf Importe von Hydraulikbaggern aus Japan, gestaffelt nach der jeweiligen Preisabweichung. So wurden Aufschläge zwischen 3 und 32 Prozent je nach Hersteller fällig. Das Ziel, die Japaner vom europäischen Markt fernzuhalten, wurde damit natürlich nicht erreicht. Vielmehr gründeten diese eigene Produktionsstätten auf dem Gebiet der Europäischen Gemeinschaft.
Ob die Wettbewerbsvorteile tatsächlich aus unlauteren Machenschaften, staatlichen Eingriffen oder einer straff organisierten Industrieproduktion rührten, lässt sich im Nachhinein nicht mehr mit Sicherheit feststellen. In der Folgezeit gab es jedenfalls häufiger große Delegation, die japanische Fertigungsstätten besichtigten und es wurde versucht, Methoden wie Kaizen in der einheimischen Produktion zu adaptieren. Bestimmte Muster im heutigen Wirtschaftsleben haben wir also schon mindestens einmal in ähnlicher Form durchlaufen.
Kollege Mikrochip fährt mit
Mit diesem etwas blumigen Titel berichtete der bd-Baumaschinendienst im März 1988 über den Einsatz von Elektronik im Baggerbau. In den 1980er-Jahren wurde die EDV in vielen Bereichen der Arbeitswelt eingeführt. Was zunächst hauptsächlich als Mittel zur Vereinfachung von Abläufen im Büroalltag oder zum Erstellen von Plänen angesehen wurde, fand zusehends auch in der Überwachung und Steuerung von Arbeitsmaschinen Anwendung. Das reichte von vergleichsweise einfachen Anwendungen wie Sicherheitsabschaltungen oder Grenzlast-Reglern bis zur Leistungserfassung oder teilautonomen Bewegungsabläufen. Ein großer Bagger, der wie von Geisterhand vor sich hin schaufelte, während der Baggerfahrer rauchend am Fenster stand, machte natürlich auf Messen richtig etwas her. Berichte aus der Praxis über den erfolgreichen Einsatz dieser Technologie blieben im Anschluss allerdings weitestgehend aus.
Nicht völlig zu Unrecht wurde von Praktikern die Einsatztauglichkeit der filigranen Komponenten im rauen Baustellenalltag angezweifelt. Staub, Feuchtigkeit, Erschütterungen oder auch Überspannungsschäden durch kleine Unachtsamkeiten bei Reparaturen konnten hohe Kosten verursachen – ich selbst müsste die Rechnung für das gezahlte Lehrgeld noch irgendwo haben. Auch wenn die (teil-)autonome Baumaschine schließlich deutlich länger auf sich warten ließ, war der Grundstein gelegt. Automatische Scharsteuerungen für Grader oder der Einsatz von Bau-Lasern gehörten bald zum Alltag. Und wollte man die Effizienz von Hydrauliksystemen erhöhen, kam man um eine elektronische Steuerung kaum mehr herum.
Umweltschutz wird schick
Dass Themen des Umweltschutzes auch gesamtgesellschaftlich – mehr oder weniger freiwillig – zunehmend Beachtung fanden, hatte auch Auswirkungen auf die Baumaschinenindustrie. Zunächst lag der Fokus jedoch noch auf der Vermeidung von Baulärm. So sorgten Baumaschinen mit lärmgekapselten Antriebseinheiten bei Messe-Vorführungen für großes Aufsehen, da ihnen der kernige Sound des luftgekühlten Dieselmotors fehlte.
Ebenso wurden Lärmschutzgehäuse für Hydraulikhämmer und Rammen angeboten. Das Einschlagen von Trägern oder Spundwänden ließ zuvor ganze Stadtteile akustisch am Geschehen teilhaben, wurde nun aber zunehmend durch Bohren, Pressen oder den Einsatz von Vibrationsrammen abgelöst. Mit biologisch abbaubaren Hydraulikflüssigkeiten versuchte man erstmals das Risiko der Verschmutzung von Böden und Grundwasser zu minimieren. Auch der lange Zeit als sauber geltende Dieselmotor wurde jetzt kritisch betrachtet. Rußpartikel mit anhaftenden Schadstoffen und Stickoxide schienen doch ein größeres Problem darzustellen als bloß eine schwarze Wolke aus dem Auspuff. Im Fahrzeug-Sektor waren bereits gesetzliche Regelungen auf dem Weg, und so machten sich die Motorenhersteller daran, ihre Produkte entsprechend anzupassen. Aus technischer Sicht war damit auch das Ende des beliebten Dieselmotors mit Luftkühlung langfristig besiegelt.
Unser Fazit
Die Baumaschinen-Gattungen hatte sich in den 1980er-Jahren weitestgehend etabliert, es ging nun um die Optimierung von Leistung und Wirtschaftlichkeit. Auch die Zeiten von improvisierten Bediener-Arbeitsplätzen waren lange vorbei: Jede neue Maschinen-Generation brachte Verbesserungen bei Schallisolierung, Sitzkomfort und Bedienelementen und damit spürbare Entlastungen für den Fahrer. Dazu wurden vermehrt Anstrengungen unternommen, um negative Einwirkungen von Baumaschinen auf ihre Umgebung zu minimieren.
Umweltschutzmaßnahmen waren inzwischen nicht nur eine auferlegte Bürde, sie eröffneten auch ganz neue Betätigungsfelder für die Bauindustrie, wie beispielsweise die Sanierung von Altlasten oder des Bauschutt-Recycling. Die Groß-Hydraulikbagger hatten sich mittlerweile in der Mining-Industrie etabliert und waren keine Baumaschinen im eigentlichen Sinne mehr. Zeitgleich brachten Minibagger und japanische Anbieter richtig Bewegung in die Branche – und das war erst der Anfang. Davon mehr im Teil IV unserer Retro-Serie: die 1990er.