Fahrbericht 12/2021

Scania Elektro- und Hybrid-Lkw

The Sound of Silence – so überschreibt Scania sein erstes kaufbares Programm an Elektro- und Hybrid-Trucks. Das Motto ist treffend gewählt, sind die neuen E-Scanias doch tatsächlich das Leiseste, was wir je über Södertäljes Straßen bewegen durften.

Die Vorder- und Rückansicht der Antriebseinheit belegt: E-Motor und Zweigang-Getriebe-Einheit bilden praktisch einen geschlossenen Antriebsblock, der ausgesprochen leise arbeitet.

Schneller als gedacht sei man bei Scania auf der Stromschiene vorangekommen. So will man bis 2025 den regionalen Verteilerverkehr bereits mit zehn Prozent E-Fahrzeugen bedienen. Darin eingeschlossen sind leichte Bau-Fahrzeuge bis 26 t und drei Achsen. Bis 2030 sollen 50 Prozent der regional agierenden Busverkehre sowie der schwere nationale Fernverkehr elektrifiziert sein. Geht die Entwicklung im derzeitigen Tempo weiter, gibt es keinen Grund, diese Zahlen anzuzweifeln. Zumal auch hierzulande Förderprogramme und Incentives wie Mautfreiheit und die Übernahme von bis zu 80 Prozent der Mehrkosten durch staatliche Programme den finanziellen Mehraufwand auffangen und den Absatz langsam ankurbeln könnten.

Aus dem Dunkel der Entwicklung ans Licht der Öffentlichkeit: Kennzeichen der neuen E-Scanias ist das blaue Lichtband im Kühler. (Bilder: Scania)

Scania legt besonderen Wert auf seine Hybrid-Nische, die von Anfang bei der E-Entwicklung mit im Fokus stand. Der Grund ist einfach: Sind lange Anfahrtswege zum eigentlichen Einsatzort unvermeidlich, sieht man den Hybriden mit der Kombi Dieselmotor plus Batterie-Elektrik als praktikabelste Lösung. Im Revier elektrisch und emissionsfrei unterwegs, mit Reichweiten bis 60 km, den langen Hin- und Rückweg erledigt der Diesel. Die Technik für so einen Plug-In-Hybriden ist freilich aufwendig: Es braucht einen kompletten Diesel-Antriebsstrang mit mehrstufigem Getriebe plus einen In-Line-E-Motor, der axial zwischen Dieselmotor und Getriebe sitzt. Dazu noch ein Batterie-Pack von rund 30 kWh, das den E-Motor bedient.

Vergleichsweise einfach dagegen der batterieelektrische Truck. Scania präsentierte uns erstmals fahrbereit den 25 P als 4×2 mit Kofferaufbau. Ähnlich wie der skandinavische Konkurrent in Göteborg, nutzen auch die Södertäljer einen normalen Antriebsstrang mit vorhandenen Achsen aus dem Baukasten, einer kurzen Kardanwelle, die – und das ist Scania-spezifisch – von einer integrierten E-Motor-Getriebe-Einheit angetrieben wird. Unterm Fahrerhaus findet sich, wie üblich, die Leistungselektronik mit Inverter, diversen AC/DC-Wandlern und einem Batteriepack. Bis zu neun Batteriepakete à 33,3 kWh bringt Scania links und rechts des Rahmens zwischen den Achsen unter. Das ergibt Reichweiten bis 250 km mit dem großen 300-kWh-Paket mit neun Akkupacks oder 130 km mit dem 165-kWh-Paket aus fünf Akkus.

Die erste Generation der Scania-E-Trucks läuft unter der Codenummer 25. Das P kennzeichnet die niedrig aufgesetzte Verteilerkabine. Alternativ ist auch die Low-Entry-Kabine L möglich.

Bei den E-Motoren setzt Scania auf einen singulären Permanent-Magnet-E-Motor mit 230 kW (313 PS) und 2.200 Nm maximalem Drehmoment. Der ist mit einem Zweigang-Getriebe (1:1 und 1:2,59) gekoppelt, um schwierige Anfahrsituationen auch mit hoher Last meistern zu können. Das Ganze wirkt wie eine Einheit und bietet sogar einen elektrisch angetriebenen Nebenabtrieb mit 60 kW Leistung – wichtig für Hydraulik-Funktionen. Es können aber auch frei konfigurierbare elektrische Nebenabtriebe mit höherer Leistung integriert werden. Vorteil: Die elektrisch angetriebenen Pumpen können dort platziert werden, wo am besten Platz ist, die Einbaulage ist also relativ frei.

Das erstaunlichste am Scania-E-Antrieb ist nicht nur der hohe Integrationsgrad von E-Motor und Getriebe, sondern wie leise er arbeitet. Praktisch unhörbar. Der Klang der Stille, in diesem Fall mal wirklich zutreffend. Man hört nichts. Noch nicht einmal ein paar klickende Relais, kein Heulen oder Sausen, wie es E-Antrieben ja oft zueigen ist. Chapeau. Das haben wir so noch nicht gesehen – respektive gehört. Vermutlich spielt hier die enge Verzahnung von E-Motor und Zweigang-Getriebe eine gewisse Rolle. Denn diese Bauart unterscheidet den Scania-E-Antrieb von anderen Konzepten der Konkurrenz.

Der Ladeanschluss liegt in bequemer Höhe hinter der echten Eckverkleidung. (Bild: bd/Domina)

Der Umstieg für Fahrer dürfte unproblematisch sein – wer bewegt schon nicht gerne einen praktisch geräuschlosen Truck durch die Stadt. Am Handling ändert sich ja nichts, allenfalls eine stromsparende und rekuperationsfördernde Fahrweise ist neu zu erlernen. Der Ruf nach einem künstlichen Fahrgeräusch ist hier nur allzu verständlich – schon im Interesse gefährdeter Fußgänger und Radfahrer. Er könnte also nur kurz währen, der Klang der Stille.